Leben und Wohnen der Europäer in Ostindien. 189
welches gewöhnlich unter der Bezeichnung ‚Niederländisch-Ostindien“
zusammengefaßt wird, und das sich, gleich einem Gürtel von Smaragden,
um den Aquator schlingt. Java ist, obgleich die kleinste der vier großen
Sunda⸗Inseln, dennoch die wichtigste, die fruchtbarste und nutzbringendste.
Dieser mein erster Brief soll ein Bild meines Lebens und
Wohnens in den Tropen entrollen. Das Klima ist heiß und
feucht, wie das bei einer Insel nahe dem Nuator nicht anders sein
kann. In Batavia beträgt die mittlere Wärme im Schatten nicht
weniger als 229 Reaumur. Tiefer als etwa 160 sinkt das Thermo—
meter nie, während es in den heißen Monaten auf 300 und darüber
steigen kann. Ihr werdet begreifen, daß es da dem Europäer und ins—
besondere mir wohl zuweilen ein wenig schwül wird! So schlimm aber,
wie es nach dieser Schilderung Euch Bewohnern eines gemäßigten
Klimas erscheinen möchte, ist die Sache in Wirklichkeit doch nicht.
Einesteils wehen an der Küste stets abwechselnd Land- und Seewinde
und tragen viel zur Milderung der Hitze bei; andererseits ist die Bau—
art der Häuser, die Kleidung ünd die ganze Lebensweise auf das heiße
Klima eingerichtet, so daß man dasselbe meistens weit weniger em—
pfindet, als die Glut heißer Sommertage bei Euch in Mitteleuropa.
Einen Winter mit Schnee und Eis giebt es auf Java also nicht.
Hier sind überhaupt nur zwei Jahreszeiten: die Regenzeit und die
trockene Zeit. Jene dauert vom November bis April; in den übrigen
Monaten herrscht, abgesehen von gelegentlichen Gewitterregen, völlige
Trockenheit. Die indischen Städte unterscheiden sich von den europäischen
auffallend. Nicht bloß die Wohnungen der Eingebornen, sondern auch
die Häuser der Europäer sind wesentlich anders gebaut, als die Wohn—
gebäude bei Euch. Die Häuser hier sind der häufigen Erdbeben wegen
meistens einstöckig und dienen stets nur einer Familie zur Wohnung.
Jedes steht ganz frei in einem geräumigen Garten, der mit schlanken
Kokospalmen und schattigen Fruchtbäumen besetzt ist, oder es liegt fast
versteckt im kühlen Schatten des Laubdaches und hinter herrlich blühen⸗
den und duftenden Sträuchern. Als ich zum erstenmal am Eingange
einer solchen Straße stand, bemerkte ich anfänglich gar nichts von den
Häusern. Nur eine Reihe hoher, dichtbelaubter Feigenbäume, Tama—
rinden oder Kanarienbäume zog sich vor meinen Bücken zu beiden
Seiten der Straße hin. Es watr, als sähe man die Allee eines wohl—
gepflegten Parkes hinab. Bald aber entdeckte ich beim Weiterschreiten
ein Haus nach dem andern, wie es mit seinem blendendweißen Anstrich
zwischen dem üppigen Grün der Bäume hervorleuchtete. Von detr
Straße aus gelangt man zunächst auf einen geräumigen, sauber ge—
haltenen und mit Kies bestreuten Vorplatz, von dem uüns eine breite
Freitreppe zu der von Säulen getragenen Vorhalle des Hauses führt.
Diese Halle, wie auch die Treppe meistens mit Marmorplatten belegt
ist nach der Straße uͤnd dem Garten zu, also nach drei Seiten gänzlich
offen. In ihr bringt die Familie meistens die kühlen Stunden des
Tages zu, und dort empfängt sie auch ihre Besuche. Eine gleiche
Halle befindet sich an der Rückseite des Hauses. Hier werden haupt—