582 Bilder aus Amerika.
etwas sehr Gemeines ist. Denn da sich das Gebirge in jener Gegend
befindet, so sind Regen und Ungewitter hier nicht seltener, als in
Quito. Die Winde sind zu allen Zeiten sehr gemäßigt, und auch im
strengsten Winter spürt man sie nie so stark, daß sie beschwerlich
werden. Wenn dieses Land daher keinen andern Plagen und Zufällen
unterworfen wäre, so würde den Einwohnern in Hinsicht der Bequem—
lichkeit des Lebens wenig zu wünschen übrig bleiben. Aber die Natur,
die dieses Land mit so außerordentlichen Vorrechten beschenkt, hat über
dasselbe auch Plagen verhängt, wodurch es einen großen Teil seines
Wertes verliert.
Die Erschütterungen sind es vorzüglich, denen fast alle Teile des
weiten Peru vor vielen Ländern der Erde gar häufig ausgesetzt sind.
Das Land ist dazu so geneigt, daß die Einwohner beständig in Furcht
und Sorge sein müssen. Die Erschütterungen geschehen so plötzlich
und so häufig hinter einander, daß die Bewohner, wenn sie es am
wenigsten vermuten, überrascht werden, und daher stets in der gegrün—
deten Furcht leben, unter dem Schutte ihrer Wohnungen begraben zu
werdenn Zu manchen Zeiten sind die Erschütterungen freilich seltener,
auch werden sie nicht immer gleich stark oder von gleicher Dauer ge—
spürt. Jedoch währet der Zwischenraum nie so lange, daß die Seele
Zeit hätte sich zu beruhigen. Im Gegenteil wird die Sorge nur ver—
mehrt, wenn die Erschütterung einige Tage aufgehört hat, denn dann
befürchtet man, daß das nächste Erdbeben viel stärker und von ungleich
längerer Dauer sein werde. Die Vorboten, durch welche die Er—
schülterungen angekündigt werden, sind ein anhaltendes starkes Geräusch
in den verborgenen Höhlen der Erde. Man bemerkt dies etwa eine
Minute zuvor, ehe die Erschütterung verspürt wird. Das Geräusch
scheint nicht an dem Orte, wo es entsteht, zu verbleiben, sondern läuft
mmer unter der Erde fort. Unter den Tieren spüren die Hunde die
Annäherung desselben zuerst, und erheben ein abscheuliches Geheul und
Gebell. Die Lasttiere, die sich auf den Gassen und Landstraßen be—
finden, bleiben stehen und sperren die Beine auseinander, damit sie
bei der folgenden Erschütterung nicht fallen. Sobald die Einwohner
diese Anzeichen bemerken, verlassen sie ihre Häuser und begeben sich
auf die Straße. Die Eilfertigkeit, mit der dies geschieht, macht natür—
licher Weise, daß sie hier in der Gestalt und dem Aufzuge erscheinen,
in der die Begebenheit sie antrifft. Geschieht dies zur Nachtzeit, wo
sie sich bereits zur Ruhe begeben haben, so verstattet die Furcht ihnen
oft nicht Zeit, irgend ein Gewand umzunehmen. Die Straßen stellen
daher eine Schaubühne so seltsamer und außerordentlicher Gruppen
hor, daß, zitterte nicht jeder einzelne in diesen Augenblicken für sein
Eben, und vermöchte er andern Gedanken als denen der eigenen Ge—
fahr Raum zu geben, sie hinreichenden Stoff zu scherzhaften und
komischen Betrachtungen darbieten würden. Das Geschrei der Kinder,
die weinen, weil man sie aus ihrer Ruhe störte, das Beben der Weiber,
die verschiedenen Außerungen der Männer, das Heulen der Hunde
bringen sonderbares Leben und Mannigfaltigkeit in diese Scenen. Und