Der Ocean. 59
fläche. Es ist aber selten so ruhig; Wind und Sturm erregen Wellen,
die sich oft 24 Fuß, ja an Felsküsten, wo es brandet, d. h. wo acht
oder mehr Wellen übereinander schlagen, an 50 Fuß hoch aufbäumen.
Fast immer in Bewegung, wird es eben dadurch wie durch eine große
Beimischung salzigbittrer Stoffe vor Fäulnis bewahrt. Diese Stoffe
haben wahrscheinlich in vielen Gegenden des Meergrundes ungeheure
Lager, um den Ocean trotz des unaufhörlichen Zuströmens von süßem
Flußwasser stets salzig zu erhalten. Der Geschmack des Meerwassers
ist daher so widrig, daß die Menschen es vor Ekel nicht trinken können.
Übrigens soll die Bewegung des Meeres selbst bei Sturm in seiner
Tiefe nicht zu verspüren sein, wie die Taucher versichern.
Die merkwürdigste Bewegung des Meeres ist die Ebbe und Flut.
Das Wasser am Strande steigt und fällt in regelmäßigem Wechsel
innerhalb 24 Stunden 50 Minuten 48 Sekunden zweimal. Das
Steigen, welches 6 Stunden dauert, nennt man Fluten. Wächst das
Wasser nicht mehr, so ist hohe See, die nur eine halbe Stunde dauert.
Fällt es und läuft vom Ufer ab, was wieder 6 Stunden anhält, so sagt
man: es ebbet. Im niedrigsten Stande, bei tiefer See, beharrt es
wieder eine halbe Stunde, bevor es zu steigen beginnt. In der Ostsee,
die fast gänzlich vom Lande umgeben ist, spürt man keine Flut, wohl
aber in der Nordsee. Zuweilen übersteigt das Meer die gewöhnliche
Höhe und wird desto gefährlicher. Man nennt dies Springflut.
Die Behauptung, daß der Ocean lebendig sei, ist kaum eine bloß
bildliche, so innig zerschmolzen ist das Leben mit seiner Substanz. Die
chemischen Analysen geben von dieser Zusammensetzung selten eine rich—
tige Vorstellung; denn sie übersehn meist jenen eigentuüͤmlichen Schleim,
jene klebrige Masse, welche den zahllosen im Meerwasser lebenden Wesen
angehört oder angehört hat, und welche aus diesem Wasser recht
eigentlich ein organisches Wasser macht. Schöpft man Wasser aus
einem Brunnen oder aus einer Quelle, filtriert es und füllt es in ein
Gefäß, so wird man es lange rein und trinkbar erhalten können; erst
mit der Zeit wird es gären. Aber das Meerwässer ist kaum von
seiner Masse getrennt, und in eine Flasche oder ein Faß gefüllt, als
es auch schon fault. Man kann es nicht aufbewahren. Sicherlich sind
es nicht die darin enthaltenen Salze, welche es zersetzen, sondern viel—
mehr der eben erwähnte Schleim, die Tausende von Millionen unsicht—
barer Tiere, die sofort sterben und in Verwesung übergehen.
Diese organischen Substanzen, welche an der Zusammensetzung der
Gewässer des Oceans teilhaben, sind mit demselben so fest verbunden,
daß sie ihre Klarheit un stören, dieselbe vielmehr zu vergrößern
scheinen. Das klarste Quellwasser kommt dem des Meeres an Durch⸗
sichtigkeit nicht gleich. In gewissen Teilen des arktischen Oceans be—
merkt man noch in einer Tiefe von mehr als 100 in die unten liegen—
den Muscheln, und bei den Antillen ist in derselben Tiefe das Bett
des Meeres so sichtbar, als ob es an der Oberfläche des Bodens läge,
aber über diese Tiefe hinaus dringt das Sonnenlicht nicht mehr in
hinlänglicher Menge ein, um eine Unterscheidung der Gegenstände zu