Full text: Bilder aus dem Deutschen Reiche (Bd. 3)

Breslau. 
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und bietet bis zu ihrer Mündung wechselnde Uferlandschaften dar. 
Auch wenn sie sich nicht mit den reizenden Gestaden der übrigen deutschen 
Großflüsse messen kann, so entwickelt sie doch, von dem langweiligen 
Greisentnm jener ganz verschieden, noch am Ende ihrer Laufbahn reiche 
Anmut und deutet auch durch ihr verhältnismüßig nicht geringes Ge- 
fälle auf ein kräftiges Alter hin. Schon von der Verbindung mit der 
Warthe an zeigt sie eine starke Neigung zur Teilung und zur Lachen- 
und Jnselbilduug, durchbricht in einer lieblichen Thalfurche den nord- 
westlichen Landrücken und ergießt sich, an der festen Handels- uud 
Fabrikstadt Stettin vorüberfließend, nach einer seenartigen Erweiterung 
im Papenwasser in das Große Haff. In ähnlicher Weise wie die 
Nehrungen des frischen und kurischen Haffs trennen die vorgelagerten 
Inseln Wollin und Usedom, wo einst auf dem Rüden Gustav Adolf 
mit seiner heiligen Schar landete, den großen Süßwassersee von der 
Ostsee. Entstanden durch die vou den Meereswellen bewirkte Anhäufung 
von Geschieben und Gerollen wie von dem Niederschlage anderen durch 
den Fluß selbst herangeführten Erdmaterials, gewähren sie dem Oder- 
Wasser drei Mündnngen nach dem Meere zu, welche die Namen Dive- 
now, Swine und Peene führen. An der „Swinemünde" liegt der 
Vorhafen Stettins, eine Gründung Friedrichs des Großen. 
Sagenhafte Kunde schallt uns von diesen Inseln aus jenen Zeiten 
herüber, wo noch wendische Stämme hier an der Mündung der Oder 
saßen und das Volk der Pomorjonen Pommern den Namen gab. Da 
hören wir von der großen und blühenden Stadt Julin auf Wollin 
erzählen, die einft im Kriege zerstört ward, und die „weltberühmte 
Wineta" auf Usedom preisen, die von den Meereswogen im elften Jahr- 
hundert verschlungen sei. Lange wollte man noch bei heiterem Wetter 
eine Stunde östlich von Usedom in der See die Ruinen Winetas, 
größer als Lübek im Umfang, erkennen; im Jahre 1771 sollten sogar 
Schiffe an den Trümmern der Mauerpfeiler oder selbst an den Back- 
steinmanern der Stadt gescheitert sein. Noch heute erzählen sich die 
Fischer, daß man bei klarer Luft die weiten Straßen tief im Grunde 
des Meeres erblicken könne und wunderbare Töne heraufschallen höre. 
Aber das „Traumbild unter den goldglitzernden Wasserwogen, der Ni- 
belungenhort der Ostsee" ist vor der Forschung unser Zeit verschwunden, 
die in Wineta nur das Spiegelbild des zerstörten Julin nachgewiesen 
hat. Die angeblichen Ruinen sind ein Riff unter dem Wasser; mäch- 
tige Granitblöcke liegen übereinander geschoben oder in Sand und 
Kreide halb verdeckt. Nirgends sind daselbst Spuren jener mächtigen 
Handelsstadt zu entdecken, die einst die Mündung des slavischen Stromes 
beherrscht haben sollte. ' Meidinger. 
13. Breslau. 
An der Einmündung der Ohlau in die Oder liegt in einer frucht- 
reichen, wohl angebauten Ebeue Breslau, die Hauptstadt Schlesiens. 
Der schönste und größte Platz der Stadt ist der Ring, der ein Viereck
	        
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