1. Geographie des Meeres.
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landeinwärts geführt wird. Bei jeder Ebbe wiederholt sich dieses Spiel, bis
sich nach und nach lange Reihen von Sandhügeln aufhäufen, die parallel
mit der Küste fortlaufend allerdings als natürlicher Damm dieselbe gegen
hochansteigende Sturmfluten schützen können, zugleich aber selbst wiederum
Tod und Verwüstung über das dahiuterliegende Land breiten. Denn die aus-
trocknenden Kämme jener Hügel, der Dünen, wie sie der Küstenbewohner
nennt, werden gleichfalls unausgesetzt vom Winde fortgerissen und weiter in's
Land hineingetrieben, und so schreitet vom Ufer aus eine furchtbare Sand¬
wüste langsam und unaufhaltsam in's Land hinein, alle Cultur, alle Vege¬
tation vernichtend und begrabend. In dieser Weise hat sich der ganze Küsten-
strich von Syrien bis Alexandria im Laufe der Jahrhunderte in ein Sandmeer
verwandelt. An der südlichen Westküste von Frankreich hat der Arensch durch
Anpflanzung von Wald dem Fortschreiten dieser Sandlawinen eine Schranke
zu setzen versucht, und gegen denselben Feind wird jetzt der Mensch an der
preußischen Ostseeküste in die Schranken gefordert.
Daß sich durch die erwähnten Hebungen und Senkungen die Geographie
des Meeres, wenn auch erst in Jahrtausenden, doch viel bedeutender ändern
muß, als durch die kleinen Angriffe des Meeres auf die Küstenlinie, läßt sich
erwarten; wir können daher in Bezug auf die Vertheilung von Land und
Meer immer nur von einen: gegenwärtigen Zustande reden und dürfen nicht
glauben, daß in diesem Zustande irgend etwas sich ausdrücke, was für die
Erde im allgemeinen ihrer Natur nach wesentlich wäre. Bei den Alten
ging die Rede von einem schönen Lande „der Atlantis," es habe etwa da
gelegen, wo sich jetzt der atlantische Ocean zwischen der iberischen Halbinsel
und dem südöstlichen Nordamerika ausbreitet, sei aber seit lange in: Meere
versunken. Die geologischen Forschungen haben in der neueren Zeit in der
That dazu geführt, eine solche Continentalverbindung zwischen Europa und
Amerika nachzuweisen, die zu einer Zeit bestand, in der es dagegen kein
Norddeutschland, kein Skandinavien, kein nördliches Rußland und Sibirien,
sondern anstatt alles dessen nur ein einziges großes Polarmeer mit großen,
Grönland ähnlichen Inseln gab. Und diese Zeit mag vielleicht dem jetzigen
Zustande der Erdoberfläche unmittelbar vorhergegangen sein.
So, wie wir in unseren: Weltalter die Vertheilung von Land und Wasser
auf der Erde finden, zeigt sie uns keine gesetzmäßige Anordnung nach den
großen physikalisch bedeutsamen Linien und Punkten, nach Aeqnator, Wende-
kreisen, Polarkreisen, Meridianen oder Polen. Wenn wir die Erdkugel durch
einen größten Kreis in zwei Hennsphären Heilen, so daß die eine die mög¬
lichst große Menge Land, die andere das meiste Meer umschließt, so schneidet
die Linie den Aequator etwa 90 0 östlich und 270 0 westlich von Greenwich.
Die erste dieser Hemisphären umschließt den größten Theil der nördlichen Halb¬