Full text: [Bd. 1, Abth. 1] (Bd. 1, Abth. 1)

42 
Zur physischen Geographie. 
die das Meer hier säete und pflanzte. Mit der Flut ist nur der Reiche und 
Glückliche im Bunde, der seine stolzen Schiffe auf ebener Bahn entsendet. 
Die Ebbe enthüllt aber auch so manches von den Geheimnissen der Tiefe, 
welche die Flut gleichmäßig unter ihrer Wasserdecke verbirgt. Da kommen 
außer deu Zierlichen Conchylien die wunderlichen Ungethüme des Meeres zu 
Tage, die sich auf dem Grunde versäumten; da sieht man die versandeten 
Wracks und andere Trümmer gestrandeter Schiffe; da zeigen sich in: Sonnen- 
schein die Korallen und Kräuter, die drunten im Dunkel ihre seltsamen 
Zacken und Zweige umherstrecken. Auch sonst ist die Ebbe viel reicher an Eon- 
trasten der Lichter und Farbe«, als die einförmige, einfarbige Flut. Selbst 
in der Luft herrscht zur Zeit der Ebbe regeres Leben, denn auch die Vögel 
eilen heran, um ihr zu folgeu. Auch sie finden, wie das arme Volk der 
Küstenstädte, ihre Tafel auf den Sandbänken 'reichlich gedeckt. Die Strand- 
länfer, die Möven, die Schnepfen und Störche flattern oder wandeln am 
Strome oder auf den entblößten Lagunen, um auf das Seegewürm Jagd zu 
machen. Während der Flutzeit, die ihnen einen Theil ihrer Nahrung entzieht, 
sitzen sie dann ruhig im Lande, auf den Wiesen und hinter den Deichen, 
Ilm der Wiederkehr der günstigen Stunde zu warten. 
3. Der Golfstrom. 
Den Gürtel der Wendekreise nennt Maury das Herz des Oceans. Von 
hier gehen die großen Strömungen aus, die großeu Kanäle, welche das 
warme, an Salzen und organischen Stoffen reiche Wasser nach den Endpunkten 
führen; hierher gehen die Gegenströmungen kalten und an lösbaren Sub- 
stanzen armen Wassers, um sich wieder zu erwärmen, umzuwandeln und 
Wärme und Leben spendend zu ihrem Ausgangspunkte zurückzukehren. Es 
ist in der That ein Kreislauf, ähnlich demjenigen des Blutes in: menschlichen 
und thierischen Körper. 
Das schöne Werk Maurys, „die physische Geographie des Meeres" 
beginnt mit einer glänzenden und ergreifenden Schilderung der berühmtesten 
dieser ungeheuren Arterien, derjenigen, deren Stamm und Verästungen den 
größten Raum einnehmen, und die wir dje große Schlagader des Oceans 
nennen können. 
„Es giebt," sagt derselbe, „einen Fluß im Meere. Er versiegt nicht, 
wenn sonst alles verdorrt; er tritt nicht über, wenn auch die mächtigsten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.