Full text: [Bd. 1, Abth. 1] (Bd. 1, Abth. 1)

3. Der Golfstrom. 
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hin und verbindet sich mit dem großen Aequatorstrome; der andre nimnit 
seinen Weg wieder nach Norden und umfließt die Küsten Irlands und Süd - 
Englands. Hier erfolgt eine neue Spaltung. Der Zweig, der sich hier los- 
macht, um durch den Gascogneschen Meerbusen zu gehen, stößt auf die sran- 
zösische Küste des Kanals, und dem Drucke, mit welchem er die Gewässer 
des Oceans zurückdrängt, sind vermutlich die Unregelmäßigkeiten der Fluten 
in St. Malo, Grandville und in Havre zuzuschreiben. Der nördliche Zweig 
bespült Norwegen, Island und Nowaja Semlä, um als gewaltige, beständig 
warme Strömung seinen Lauf weiter polwärts fortzusetzen. Middendorfs fand 
hier in den Gewässern derselben noch immer eine Temperatur von fast 10 
Grad R., und ohne Zweifel ist es diese verhältnißmäßig hohe Wärme, welche 
in der Umgebung des Poles das Meer offen hält. 
Der Golfstrom führt auf seinem ganzen Laufe Trümmer aus den Ge- 
genden mit, wo er seinen Ursprung hat. Selbst an den Küsten Irlands, 
der Hebriden, Islands und Norwegens setzt er Samenkörner und Hölzer aus 
den Tropen ab und wird dadurch nicht selten zum Wohlthäter unwirklicher 
Strecken. Bekannt ist es ferner, daß Bambusrohre, geschnitzte Hölzer, Stämme 
einer unbekannten Fichte, so wie andere an die Azoren von Fayal-Flores 
und Corvo herangetriebene Gegenstände zur Entdeckung Amerikas beitrugen, 
indem sie Christoph Columbus in seiner Annahme bestärkten, daß man jen- 
seits des atlantischen Oceans das westliche Indien finden werde. 
Wir kennen jetzt den Lauf des Golfstroms. Betrachten wir nun die 
Eigentümlichkeiten dieses Meerwunders. Bei seinem Austritt aus dein Busen 
von Mexiko hat der Golfstrom eine Breite von ungefähr 7 bis 12 geogr. 
Meilen, seine Tiefe beträgt gegen tausend Fuß, die Geschwindigkeit seines 
Laufes etwa eine Meile in der Stunde. Allmählich nimmt diese letztere mit 
der wachsenden Breite ab; bei Cap Hatteras, wo seine Wasser sich schon auf 
18 Meilen ausdehnen, beträgt sie nur 3/4 Meilen und die Tiefe kaum 600 Fuß. 
Dennoch behält der Strom in der ganzen Ausdehnung seines Laufes eine 
verhältnißmäßig bedeutende Geschwindigkeit. 
Die Temperatur seiner Gewässer wechselt natürlich sehr nach den ver- 
schiedenen Breitegraden, unter denen sie fließen. Aber sie ist stets höher als 
die des umgebenden Oceans; und vielleicht ist es nicht zu kühn, wenn Maury 
behauptet, dieser Strom trage eine so große Wärmemenge nach dem Norden, 
daß dieselbe hinreichen würde, Berge von Eisen zu schmelzen und einen Strom 
geschmolzenen Eisens zu unterhalten so groß wie der Mississippi. Wird das 
Thermometer wechselweise in das Bett der Strömung oder in das Wasser 
außerhalb derselben eingetaucht, so zeigt dasselbe in der Nähe des Wende- 
kreises Abweichungen von 12 bis 16° R., und weiter hinauf an der nord- 
amerikanischen Küste von mindestens 4°; selbst wenn der Strom nach süns-
	        
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