Geschichte der Ostindischen Kompanie. % 93
Von dieser Zeit an beginnt der eigentliche Aufschwung des ostindischen
Handels.
Schon der nächste Seezug zeigte sich von unberechenbaren Folgen.
Seit mehreren Jahren befand sich Kapitän Hawkins als Agent der Kom-
panie am Hofe des Großmoguls Dschihangir und war daselbst wohlgelitten,
doch hielt es den portugiesischen Einflüssen gegenüber schwer, besondere
Vorteile zu erlangen. Die Flotte nun, welche nach Annahme der obigen
wichtigen Bestimmungen unter dem Kommando des Kapitäns Down ton
im März 1614 auslief, bestand nur aus vier Schiffen; aber mit dieser
kleinen Macht gelang es dem britischen Seefahrer, nach seiner Ankunft in
Indien einen Angriff der Portugiesen auf eine der Flotten des Großmoguls
siegreich zurückzuschlagen. Diese kräftige Dienstleistung machte nicht allein
Indiens Beherrscher den Interessen der Kompanie bleibend geneigt, sondern
brachte auch den Eingeborenen eine hohe Meinung von der Macht der
Engländer bei. Jener günstige Eindruck ward verstärkt, als im Jahre 1615
Sir Thomas Roe an der Spitze eines kleinen Geschwaders in Surate
anlangte und in der Eigenschaft eines Abgesandten des Königs Jakob I.
von England am Hofe des Großmoguls auftrat. Er verweilte mehrere
Jahre an den Kaisersitzen zu Agra und Delhi und galt als Günstling von
jenem. Seine Bemühungen führten im Jahre 1619 zur Erweiterung der
schon früher der Ostindischen Kompanie bewilligten Privilegien, sowie zur
Bestätigung der schon erlangten Erlaubnis, in Sind, Bengalen und andern
Teilen des Mogulreiches Faktoreien anlegen zu dürfen. Im zweiten Jahr-
zehnt des 17. Jahrhunderts besaßen die Engländer bereits Faktoreien zu
Atschin, Zambe, zu Teeoa auf Sumatra, in dem Großmogulreiche zu Surate,
Ahmedabad, Agra, Azmere oder Agrimere sowie zu Aurampur; weiterhin
zu Firaudo, zu Bantam, zu Dschakatra (dem heutigen Batavia), sowie zu
Topara; auf Borueo, zu Bandjermassing und Sokotomia, auf den Banda-
Inseln zu Banda; auf Malakka zu Patani; auf der Insel Celebes zu
Makassar, zu Siam, an der Ostküste von Ostindien zu Masukiapatam und
Petapoli, wie auf der Westküste zu Kalikut.
Unter solchen Umständen genoß die Kompanie schon um das Jahr 1617
ein solches Ansehen, daß ihre Aktien 203 °/0 galten. Mittlerweile hatten
jedoch die andauernden Streitigkeiten mit den Holländern, welche sich noch
größerer Erfolge im Osten Asiens rühmen durften, eine bedrohliche Höhe
erreicht: sie singen an, den britischen Handel schwer zu beeinträchtigen.
Dem abzuhelfen, traten Abgesandte beider Länder zusammen und suchten
einen friedlichen Ausgleich herbeizuführen. Die beiden Ostindischen Kom-
panien — so ward vorgeschlagen — sollten den Handel nach den indischen
Meeren als eine gemeinschaftliche Angelegenheit betreiben und durch Einig-
keit nicht allein ihre gemeinsamen Feinde, die Portugiesen, zurückdrängen,
sondern auch die übrigen Nationen verhindern, in Indien festen Fuß zu
fassen. Der daraufhin abgeschlossene Vertrag blieb jedoch kaum zehn