Full text: Bilder aus Amerika (Bd. 1)

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ihnen. Der Wildreichtum, von dem so mancher durch schlechte Lektüre 
erregte Knabe und Jüngling träumt, ist längst verschwunden; nur in 
wenigen, noch fast nnbesiedelten Gegenden, z. B. in Oregon, findet sich 
noch Wild in größerer Menge; sonst hat man infolge der unbeschränkten 
Jagdfreiheit so gründlich damit aufgeräumt, daß die Vereinigten Staaten 
in länger befiedelten Teilen ärmer daran sind als viele Striche unseres 
Vaterlandes. Der Büffel ist fast ganz ausgerottet, man hat seine uuzähl- 
baren Herden in der rohesteu Weise geschlachtet. Arbeit, harte Arbeit — 
das ist's, was die neue Welt so gut wie die alte von dem Landmann 
fordert. Vergnügliche Streiferei nach Jagdbente ist heute fast zwecklos; 
eins der großen Eichhörnchen ist vielleicht die einzige Beute, die der ent- 
täuschte Weidmann heimbringt. 
Der riesige, Europa an Größe fast erreichende Raum, den die 
Vereinigten Staaten einnehmen, läßt sich in drei Teile zerlegen, die wir 
zunächst einer kurzen Betrachtung unterziehen wollen, nämlich in ein klei- 
neres östliches und ein großes westliches Hochland, zwischen denen 
das ungeheure Tiesland des Mississippi eingebettet ist. Im Osten 
sind die Ketten der Alleghanys oder des Apalachengebirges auf- 
gesetzt; den Westen füllen die gewaltigen, himmelanstrebenden Massen der 
Felsengebirge und die zwischen ihnen und den Küstengebirgen ge- 
legenen großen Hochflächen aus. 
Im östlichen Canada beginnend, ziehen die schmalen, eigentümlich 
parallelen Ketten der Alleghanys in ganz geraden Kammlinien südwärts. 
In der Nähe der Hudsonquelle liegt eine überaus wilde Gegend des 
Gebirges, in der heute noch der Wolf, der Bär und andere Raubtiere 
heimisch find, und in deren tiefen Schluchten selbst die Gluthitze des ameri- 
kanischen Sommers Schnee und Eis nicht völlig zu schmelzen vermag. 
Ungeheure Felsenmassen, einzelne kantig, andere kahl, wieder andere mit 
Moos bedeckt, oder hohe Bäume tragend, die jene Felsgebilde mit den 
Wurzeln umklammern und so Stütze sucheu, setzen uns hier in Erstaunen. 
Die lose umherliegenden Felsbrocken werden durch Wurzeln und Schling- 
gewächse vor dem Hinabrollen geschützt. Mühsam muß man emporklettern, 
wenn man die Landschaft von einem hochliegenden Punkte aus in ihrer 
ganzen, großartigen Wildheit überblicken will. Ungeheure Felfenmasfen, 
die erst vor Kurzem durch ein Erdbeben herabgestürzt zu sein scheinen 
nnd au denen die Naturmächte noch beständig weiterarbeiten, liegen in 
der berühmten Schlucht wild durcheinander. Der Hudson drängt sich 
nach Südwesten durch diese Massen, ein anderer Fluß nach Nordosten; 
ihre Quellschlucht aber ist so zerklüftet, daß man sie nicht begehen kann. 
Vielbesucht ist jetzt auch die schöne Gegend des Champlainsees. In der 
südlichen Abteilung des Alleghanygebirges ist der Parallelismus der eiuzel- 
nen Kämme so auffallend, daß die Krümmung der einen Kette ganz genau 
von allen anderen nachgeahmt wird, weshalb die flachen Thäler fast überall 
gleiche Breite behalten. Überaus reich ist das Gebirge an wichtigen 
Mineralien, die es iu seinem Schöße birgt, und seine schönen Wälder 
Kleinschmidt, Lebensbilder :c. n
	        
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