330
zu Fuß erreichen, die Austern liegen sehen und mit der Hand auf¬
nehmen kann.
An solchen Stellen liegen sie aber selten so dicht zusammen wie in
der Mitte der Bänke. Denn auf seichten Stellen richtet der starke Frost,
der anhaltende Ostwinde im Winter zu begleiten pflegt, die im flachen
Wasser heranwachsenden Austern zugrunde. Ein Ansammeln von Austern
vieler Generationen, das an tiefern Stellen gerade zur Bildung von
Bänken führt, wird also hier durch die Kälte (bis —2° C.) und den
Eisgang verhindert. Unsre Kenntnisse von der Beschaffenheit der Austern¬
bänke beruhen fast ausschließlich auf dem Gebrauche des Schleppnetzes.
Das Schleppnetz der Austernfischer besteht aus einem viereckigen
Rahmen mit einem dreieckigen Bügel, an dem das Zugtau befestigt wird,
und aus einem Netzbeutel, dessen untere Hälfte aus eisernen Ringen zu¬
sammengefügt ist, weil Netzgarn beim Schleppen über die rauhen Schalen
hin bald zerreißen würde. Ein solches Schleppnetz wiegt 25 bis 30 kg.
In der Regel fischen die Austernfischer mit zwei, bei rascher Brise mit
drei oder vier Netzen zugleich.
An den Erschütterungen des angespannten Taues kann man oben im
Fahrzeug mit der Hand fühlen, ob das ausgeworfene Netz über Austern
geht. Nach vier bis fünf Minuten langem Schleppen wird es aufgezogen
und auf Deck ausgeschüttet.
Auf guten Bänken machen erwachsene Austern die Hauptmasse des
Fanges aus; doch kommen mit ihnen stets auch leere Schalen von Austern
und andern Muscheln, lebendige Miesmuscheln, Schnecken, Krebse, Würmer,
Moostiere, Seesterne, Seeigel, Polypen, Schwämme und Algen herauf. Auf
reichen Bänken liefert ein Zug 100 bis 200 verkäufliche Austern, welche
die Fischer alle einzeln aus dem Haufen auslesen und mit einem Messer
von aufsitzenden Tieren und Pflanzen reinigen müssen. Denn wie sich
die Austern selbst als junge Tiere gern auf Schalen toter oder lebendiger
Austern niederließen, so siedeln sich auf ihren ausgewachsenen Schalen
auch verschiedene andre Tiere an.
Eine genaue Abschätzung der Zahl aller erwachsenen Austern im
schleswigschen Wattenmeere ist nicht zu machen. Doch glaube ich an¬
nehmen zu dürfen, daß ungefähr 5 Millionen daselbst liegen. Wenn wir
nun jeder Auster im Durchschnitt nur 20 Schalenbewohner zumessen, was
nach meinen Zählungen keine Übertreibung ist, so kommen wir auf 100
Millionen Austernbewohner. Da außer diesen aber noch eine ungeheuere
Menge von Tieren neben den Austern auf den Bänken wohnen, so sieht
man hier einen kaum faßbaren Reichtum an lebendigen Wesen entwickelt,
gegen den die Scharen der Vögel und selbst die Heere der Insekten in
Wäldern, Gärten und Feldern doch noch zurückstehen müssen.
Diese starke Mitbewerbung um Wohnraum und Nahrung, die man
auf den Austernbänken findet, muß natürlich die Vermehrung und Aus¬
bildung der Austern selbst beeinträchtigen. Es ist anzunehmen, daß ohne
so viele Mitbewerber die Austernbänke in gleichen Zeiten bedeutend mehr
fischbare Austern erzeugen würden.
Die Laichzeit der Austern fällt in die Sommermonate. Die Eier
werden nicht ins Wasser gelegt, sondern bleiben in dem Barte, d. h.
zwischen den Kiemen- und Mantelplatten der Alten hangen. Hier ent¬
wickeln sie sich zu kleinen Tieren mit scheibenförmigen Schalen und
erscheinen, mit bloßem Auge betrachtet, als sehr kleine bläuliche Körnchen.
Im August 1869 sammelte ich die Jungen von fünf Austern. Aus der