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-Heinrich VI.
den. Auch der Kaiser nahm das Kreuz und beschloß mit dem Kreuz¬
zug die lange Reihe seiner Thaten (S. 292). Er war etwa siebzig
Jahre alt, als er starb. Seine herrlichen Gaben werden von al¬
len gleichzeitigen Schriftstellern gerühmt. Er war von mittlerer
Größe, starkem Körperbau und majestätischem, doch freundlichem
Ansehen; er hatte blondes, lockiges Haar und einen fast röthlichen
Bart. Seine Andacht beim Gottesdienst, seine Mildthätigkeit und
die Reinheit seiner Sitten machten ihn zum Muster der Ritter¬
schaft. Trotz seiner persönlichen Tapferkeit liebte er den Krieg
nicht. Er war beredt in der Muttersprache und ein Freund der
Geschichte.
Friedrich I. hatte bei seiner Abreise seinen ältesten Sohn, Hein¬
rich, mit der Verwaltung des Reiches beauftragt und Heinrich den
Löwen bewogen, nochmals auf drei Jahre das Reich zu verlassen.
Heinrich der Löwe kehrte aber nach Deutschland zurück, um die Ab¬
wesenheit des Kaisers und so vieler Reichsvasallen zur Wiederer¬
langung seiner Macht zu benutzen. Anfangs war er glücklich; aber
bald that ihm der König Heinrich mit einem Reichsheer Einhalt,
zerstörte Hannover und bewog Heinrich den Löwen zu einem Ver¬
gleich. Zur schnellen Beendigung dieser Angelegenheit wurde der
König besonders durch die Nachricht getrieben, daß König Wil¬
helm II. von Sicilien am 1. November 1189 gestorben sei. Als
er fich aufmachen wollte, seine Erbschaft anzutreten, kam die Nach¬
richt vom Tode seines Vaters und bewog ihn, erst noch einen Reichs¬
tag in Mainz zu halten.
Heinrich VI. (1190 —1197) wurde ohne Widerspruch als
König anerkannt. Als er in Italien ankam, zeigte sich der Papst
Cölestin Hl. nicht geneigt, ihm die Kaiserkrone zu ertheilen.
Heinrich erreichte aber seine Absicht durch Vermittelung der Römer,
auf deren Wunsch er die kaiserliche Besatzung aus Tusculum zurück¬
zog. Die Römer brannten das nun wehrlose, ihnen verhaßte Tus¬
culum nieder, und aus dem geringen Ueberrest der Tusculaner, die
fich Hütten von Zweigen (krssclie) erbauten, entstand der Ort Fras¬
cati. Nachdem Heinrich VI. vom Papst zum Kaiser gekrönt wor¬
den war, zog er nach Unteritalien und eroberte eine Stadt nach
der andern. Nur Neapel leistete tapferen Widerstand, und aus¬
brechende Seuchen nöthigten den Kaiser zur Rückkehr nach Deutsch¬
land. In Sicilien hatte sich der Graf Tankred, ein unehelicher
Abkömmling des normannischen Königshauses, zum König aufgewor¬
fen. In Deutschland war Heinrich der Löwe mit seinen zahlreichen
Feinden in Streit gerathen; ein unerwarteter Zufall bewirkte aber
seine Aussöhnung mit dem Kaiser. Pfalzgraf Konrad bei Rhein,
ein Bruder Kaiser Friedrich's I., hatte eine Tochter Agnes, die
schon in zarter Jugend mit dem ältesten Sohne Heinrich's des Lö¬
wen , der gleichfalls Heinrich hieß, verlobt worden war. Der Bruch
zwischen den beiden mächtigen Fürstenhäusern hatte das Vorhaben
der Eltern, aber nicht die Liebe der Verlobten verhindert. Unter
dem Beistände ihrer Mutter vermählte sich Agnes mit ihrem Bräu¬
tigam, und nun (1194) versöhnte stch auch der Kaiser mit Hein¬
rich dem Löwen und versprach dessen Sohne die Belehnung mit der