Metadata: [Teil 5 = 5. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 5 = 5. Schuljahr, [Schülerband])

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Schwarm im Weiterschreiten, da nun auch die Kinder aus den Häusern 
kamen und sich dem Zuge anschlossen, ohne auf die Befehle der Eltern 
zu achten. Diese selber standen meistens ganz stumm und starr und 
schauten verwundert und, ohne ein Glied zu regen, auf das seltsame 
Getümmel hinab. Vor den Häusern des Bürgermeisters und des Stadt— 
schreibers blieb der Rattenfänger ein paar Minuten stehen, und seine 
Pfeife erschallte hier so lockend und so süß, daß selbst die erwachsenen 
Töchter der beiden Ratsherrn ihren Tönen nicht widerstehen konnten, 
sondern wie verzaubert und verhext aus den Häusern herausstürzten 
und sich mitten unter die Kinder mischten. Da lächelte der Ratten— 
fänger abermals recht greulich und boshaft und ging nun unaufhaltsam 
aus der Stadt hinaus ins Freie, einem Berge zu, der in der Nähe 
derselben gelegen war. Der ganze Schwarm der Kinder folgte ihm 
hüpfend und jubilierend nach. 
Einige Väter und Mütter, in deren Herzen die Liebe zu ihren 
Kindern doch noch stärker war als die Gewalt der zauberhaften Töne, 
suchten ihre Kleinen aus dem Schwarme herauszureißen und festzuhalten, 
aber die Kinder stießen unwillig die besorgten Eltern von sich und 
wußten ihnen so geschickt zu entschlüpfen, daß alle Mühe, sie einzufangen, 
ganz vergeblich war. Der ganze Zug ging auf den Berg zu, der 
Poppenberg genannt. Als der Rattenfänger dorthin kam, spaltete der 
Berg auseinander, und die Kinder folgten dem Pfeifer nach, der gerade 
wegs in den Berg hineinschritt. Als das letzte darin wan, klappte der 
Berg wieder zu, und die Kinder waren für immer verschwunden. 
Jetzt auf einmal wich die Bezauberung von den Einwohnern der 
Stadt, und in hellen Haufen rannten die armen Leute vor die Thore 
und suchten mit betrübten Herzen nach ihren Kindern. Jammernd und 
schreiend liefen die Mütter umher, und die Männer durchstreiften die 
ganze Gegend, um doch wenigstens vielleicht einige von den Kindern 
wiederzufinden. Aber jede Mühe war vergebens, da die Kinder alle 
auf Nimmerwiederkehr in dem Berge verschwunden waren. Hundert— 
unddreißig hatte der Rattenfänger hinter sich hergelockt, und von allen 
in der ganzen Stadt sollen nur drei geretiet worden sein. Das eine 
nämlich war blind und hatte den Eingang zum Berge nicht finden 
können; das andere war taub und hatte also die verlockenden Klänge 
nicht gehört, und das dritte war ein Knäblein, so in bloßem Hemde 
mitgelaufen war. Unterwegs hatte es gefroren und war zurückgerannt
	        
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