Full text: Neue Landeskunde des Königreichs Württemberg

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ä) Die Industrie: Ackerbau, Viehzucht, Fischerei, Forstwirtschaft unv 
Bergbau liesern dem Menschen die Rohstoffe für die Befriedigung seiner 
gesamten Lebensbedürfnisse. Die Um- und Verarbeitung der Rohstoffe in 
Verbrauchsgüter aber ist die Aufgabe der Gewerbe. Das Gewerbe oder 
die Industrie bildet die zweite Hauxtgruxxe der menschlichen 
Grwerbsarbeit. Es zerfällt in Klein- und Großgewerbe. 
Bis vor fünfzig Jahren war die Industrie in Württemberg wenig ent- 
wickelt. Sie beruhte auf dem einfachen Handwerk; von einer eigent- 
lichen Großindustrie war keine Rede. Da begann ein neuer Auf- 
schwuug. Der Bau vou Eisenbahnen, die Einführung der Gewerbefreiheit 
(1862) und die nationale Einigung Deutschlands ermöglichten in unserem 
Lande das Aufblühen der Großindustrie. Und so stehen nun neben den 
Burgen und Kirchen aus der Vergangenheit in vielen Gegenden Württem- 
bergs große Fabrikgebäude mit qualmenden Schloten und die Elektrizitäts- 
werke der Neuzeit. Die Industrie ernährt jetzt den größeren Teil der 
württembergischen Bevölkerung, nach der neuesten Berufszählung vom Jahre 
1907 1 159 048 Menschen (gegen 882421 in der Land- und Forstwirtschaft, 
einschließlich der Fischerei). Württemberg hat sich aus einem ehe- 
mals reinen Ackerbaustaat mehr und mehr in einen vor- 
wärtsstrebenden Industriestaat verwandelt. 
Dieser gewaltige Aufschwung unserer Industrie, trotz des Mangels 
der Kohle, setzt eine Fülle von Arbeitskraft, Fleiß, Zähigkeit, Unter- 
nehmuugsgeist, Erfindungstalent und Intelligenz unseres Volkes voraus. 
Die Industrie hat sich da am glänzendsten entfaltet, wo reiche Wasserkräfte 
billige Betriebskrast bieten und gute Verkehrslinien vorhanden sind, so daß 
die Rohstoffe leicht zugeführt, die Jndnstrieerzeuguisse bequem verschickt 
werden können. 
Württemberg weist zwei zusammenhängende Hauptiudustriebezirke auf: 
Der erste Hauxtindustriebezirk Württembergs zieht ent- 
lang der wichtigen Eisenbahnlinie Heilbronn — Stuttgart — 
Geislingen. Er bildet die große württembergische Jndustriestraße. Bon 
jeder Station dieser Hauptverkehrsader sind zahlreiche Fabrikschlöte in 
nächster Nähe sichtbar. Dieser Bezirk beginnt mit der bedeutenden Industrie 
des Heilbronner Beckens. Jndnstriemittelpnnkte sind hier Heilbronn 
und mehr und mehr auch Neckarsulm. Weiterhin sind namentlich Bietig- 
heim und Ludwigsburg wichtig. Am großartigsten entwickelt ist aber die 
Industrie zwischen Zuffenhausen und Eßlingen. Die Orte Zuffenhausen, 
Feuerbach, Münster, Cannstatt, Alt-Stuttgart, Untertürkheim, Wangen, 
Obertürkheim, Hedelfiugen, Mettingen, Eßlingen werden in nicht allzu 
ferner Zeit eiu völlig geschlossenes Industriegebiet bilden. Wenn einmal 
auf dem geplanten Neckarkanal billige Kohlen nach Cannstatt und Eßlingen 
verfrachtet werden können, wird dieser Zusammenschluß sich rasch einstellen. 
Hervorragend ist sodann die Industrie des Filstals, die sich von 
Plochingen bis Geislingen hinaufzieht. Hauptindustrieplätze find hier Göp- 
Pingen und Geislingen. Von diesem ersten Jndnstriebezirk zweigt in Bietig- 
heim ein Strang ab, der sich längs der Hauptbahn bis nach Müh lack er 
zieht. In Cannstatt schließt sich an den Hauptindustriebezirk die Industrie 
des Remstals bis hinauf nach Gmünd an.
	        
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