Full text: Heimatskunde der Provinz Hannover

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5. Wie es um diese Zeit in Stadt und Land aussah. 
1. Die durch diese Teilungen herbeigeführte Schwächung der fürstlichen 
Macht war um so verderblicher für das Land, als sie in eine Zeit 
fiel, in welcher das Faust recht und die Wegelagerei in Deutschland 
ihr Unwesen trieben. Das ist die Zeit, wo jede Stadt eine Festung, jedes 
adelige Gut und jedes Kloster eine Burg war; die Zeit, wo die Wächter- 
Tag und Nacht auf den Türmen standen; die Zeit, wo kein Fuhrmann 
ohne starke Bedeckung von einer Stadt in die andere ziehen durfte. Zwar 
gab es auch damals Gesetze; aber der Rechtsschutz war doch unsäglich 
gering und die allgemeine Unsicherheit sehr groß. — Wer die stärkste 
Faust hatte, der hatte Recht. Unter leichten Vorwänden kündeten die 
Raubritter von ihren festen Burgsitzen aus den reichen Handelsstädten 
Fehde an, überfielen die Wagenzüge der Kaufleute und die Fluren der 
Städte und Dörfer und raubten an Gütern, Vieh und Feldfrüchten, 
was ihnen gefiel. 
2. Unbeschreiblich litten in dieser schrecklichen Zeit besonders die in 
offenen Dörfern wohnenden Bauern. Da die Fürsten ihnen keine 
Hülfe gewähren konnten, so begaben sie sich in den Schutz der ihnen am 
nächsten liegenden Grafen oder Edelleute. Dafür waren sie verpflichtet, 
dem Schutzherrn allerlei Abgaben zu leisten oder in Hand- und Spann- 
diensten zu arbeiten. So schwand die Zahl der kleinen, freien Grund- 
besitzer, welche einst den Kern des sächsischen Volkes gebildet hatten, 
immer mehr; Eigenbehörige und Leibeigene, die mit ihrer Person und 
ihrem Gute in ein Dienstverhältnis zu den adeligen Gutsherren oder zu 
den Klöstern traten, erscheinen an deren Stelle. Der eigenbehörige Bauer 
durfte keinen Baum fällen auf seinem Hose, kein Geld leihen ohne Ein- 
willigung des Gutsherrn. Wohl aber suchte sich der Gutsherr zu seinen 
Zwecken manchmal die besten und schönsten Bänme in dem Gehölze 
seines Eigenbehörigen aus und ließ sie fällen. Hatte der Eigenbehörige 
eine eilige Arbeit vor, so kam der Bote und bestellte ihn zu Hand- und 
Spanndiensten, die zur festgesetzten Zeit geleistet werden mußten. — Die 
Ansiedelungen der Bauern machen jetzt einen ganz anderen Eindruck als 
früher. Lagen sonst die Gemeinden über die Flur zerstreut, so finden 
wir jetzt vielfach geschlossene Dörser, deren Gehöfte zu Gassen an einan- 
der gereiht waren. Die Dörfer waren zum Schutz vor Ranbgesellen 
nicht nur durch Zaun, sondern auch durch Mauer, Graben und Thor- 
geschützt. Inmitten des Dorfes war die hohe Kirchhofsmauer wieder zur 
Verteidigung eingerichtet, zuweilen mit Türmen besetzt. Wenn dann das 
Dorf in Gefahr war, rettete der Bauer hierher Weib und Kind, Vieh 
und Habe und stand in der Eisenkappe hinter der Mauer, sein Liebstes 
zu verteidigen. 
3. Die Städte der damaligen Zeit waren meist erweiterte Burgen, 
die Hab und Gut des Bürgers hinter festen Ringmauern schützten. Die 
starken Mauern waren mit vielen eckigen oder runden Türmen besetzt ; 
nach den Haupt-Landstraßen führten gewaltige Thore, die ebenfalls mit 
Türmen versehen waren. Rings um die Stadtmauern liefen breite
	        
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