Der Urwald von Bialowicz. 45
erblickt man ganze Meilen von einer einzigen Pflanzengattung
bestanden. — e) Ist die Tierwelt in der Steppe auch nicht
durch viele Arten vertreten, so finden sich doch diese in unge-
henrer Menge. Im Frühjahr wimmeln die zahlreichen Wasser-
decken und Wasserläufe, die Limans und Flüsse von wilden
Enten, Gänsen, Schwänen und Pelikanen. Allerwärts wandeln
Störche und Reiher, Flamingos und weiße Kraniche. Auch
eine große Zahl von Vierfüßlern findet sich hier: Wolf, Fuchs.
Marder, Hase, der Suslik (oder die Zieselmaus), den man auf
Schritt und Tritt in seine Löcher schlüpfen sieht, das Murmel-
tier, welches allerwärts seine Erdhaufen aufwirft, und die über-
aus zierliche Springmaus. Dazu kommen noch Schlangen von
beträchtlicher Größe und zahllose Eidechsen. In der Nähe des
Wassers begegnet man hier und dort Schildkröten, die eine
Länge von 30—40 cm erreichen; die Jnsektenwelt ist ungemein
zahlreich vertreten. In der pontischen Steppe ist die Tarantel
nicht selten, und die Wanderheuschrecke richtet dort die entsetz-
lichsten Verwüstungen an.
Gedicht „Steppenbrand" von Fr. Bodenstedt.
8. Der Urwald von Lialowic;.
a) Übersicht, b) Flora, c) Fauna.
a) In dem merkwürdigen littauischeu UrWalde vou Bialo-
wicz ist die Erde schwarz, fett, immer feucht und giebt, zwischen
den Fingern gerieben, einen angenehmen würzigen Geruch von
sich. Die Fruchtbarkeit der lichten Stellen, die hier und da
eingestreut sind und an Inseln auf einer unermeßlichen Wasser-
fläche oder an Oasen der Wüste erinnern, ist sehr groß. Um
den sogenannten „kaiserlichen Wald" herum, der von dem
Privateigentum abgeschieden ist. liegen 24 dem Oberforstamt
untergeordnete Dörfer, in denen ein Volk wohnt, das ebenso
anspruchslos wie seine Hütten und rauh und derb wie der Wald
ist, der es einschließt. Der an das strenge Klima vollkommen
gewöhnte und dabei kräftige Mann lebt gern in seinem Walde,
ber ihm Honig, mancherlei wilde Früchte, Schwämme und Futter
für sein Vieh bietet. — fo) Die Flora des Waldes ist eine
ebenfalls höchst eigentümliche, denn sie ist von der Kultur völlig
unberührt geblieben. Mächtige Bäume der verschiedensten Gat-