Full text: Charakterbilder aus Deutschland (Abt. 10)

172 Die mittelalterlichen Häuser in Nürnberg. 
Häusern sogenannte Lauben gebaut, d. h. überdeckte Säulengänge, 
unter denen man vop der üblen Witterung geschützt ist und wo 
sich deshalb die Händler mit Kurzwaren niederzulassen pflegend) 
Die Räume des unteren Stocks treten bei dieser Bauart uatür- 
lich zurück hinter die Hallen und sind daher sehr schlecht be- 
leuchtet. 
Der schönste Teil solcher mittelalterlichen Wohnungen' ist 
der Erker., der ringsum Fenster, an der Außenmauer Figuren 
und Zierat "in Stnckaturarbeit zeigt und oben nicht selten ein 
turmähnliches D$ch mit Spitze und Knopf trägt. Er ist ein 
trauliches Arbeits-' und Unterhaltungsplätzchen, in dem man sich 
um so behaglicher fühlt, als man von hier aus dem Straßen- 
leben unbeobachtet zusehen kann. 
Auch das Innere der Häuser giebt Zeuguis von dem be- 
haglichen, sinnigen Stillleben der deutschen Familie, vou der 
Gediegenheit, Ehrenbaftigkeit und Innerlichkeit des deutschen 
Hauses zu jener Zeit. Dem Eintretenden öffnen sich sogleich 
große Hausfluren, Vorplätze und Höfe. Häufig ist das ganze 
Erdgeschoß lediglich Vorhalle: die Wohnräume beginnen erst im 
ersten Stock. Diese großen Vorplätze dienten meist allen Haus- 
genossen zur gemeinsamen Benutzung. Dasselbe gilt vou deu 
traulichen Galerien und bedeckten Gängen, welche gegen den 
inneren Hofraum oft durch alle Stockwerke gehen. Hier foll 
man sich versammeln und ergehen können, hier sollen die Kinder 
beim Regenwetter spielen und sich tummeln. In der warmen 
Jahreszeit taselte das ganze Haus häufig aus dem Flur des 
ersten Stockes, ein schönes Herkommen, welches in Oberdeutsch-, 
land noch nicht ganz erloschen ist. In den reichen Bürger- 
Häusern erscheinen diese Vorplätze mit Säulen, Bildnereien und 
Gemälden geschmückt und an dem int Hofe traulich rauschenden 
Brunnen fehlt selten Zierat von wasserspritzenden Nymphen, 
speienden Delphinen :c. Die Treppen im Innern sind überall 
breit, die Stuben klein, die Fenster dagegen sehr breit und hoch, 
wegen des in den engen Straßen ohnehin geringen Lichtes. 
i) Auch in manchen schleichen Städten trifft man den Laubenbau 
an, so z. B. besonders schön in dem sonst mehr modern gebauten 
Hirschberg, wo man den ganzen viereckigen Rathausplatz unter ge- 
wölbten Lauben, welche die Stelle des ersten Stocks der vier Häuser- 
reihen einnehmen, umgehen kann. 
Druck von W. Hartmann in Leipzig-Reudnitz.
	        
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