fullscreen: Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt

266 xvrr. §. 1. Erstes Zusammentreffen der Germanen mit den Römern. 
lichen Grenze zwischen dem Weltreich und den germanischen Barbaren 
gemacht, und mit geringen Veränderungen wurden diese Grenzlinien 
durch zahlreiche römische Heere und Gründung fester Niederlassungen 
Jahrhunderte hindurch aufrecht erhalten. 
Nur auf eine kurze Zeit und zwar während der Regierung deS 
Augustus wurde die Rheingrenze von den Römern überschritten und 
Anstalten gemacht, das nordwestliche Deutschland in eine römische Pro¬ 
vinz zu verwandeln. Die Kriegszüge des tapfern Drusu s bis an die 
Weser, ja bis an die Elbe, unterstützt durch römische Flotten, welche 
die zur Nordsee fließenden deutschen Ströme hinauf fuhren, bahnten 
den Weg zu solcher neuen Erwerbung. Andere römische Heerführer 
erkannten zwar bald die Unmöglichkeit, flch zwischen Elbe und Weser, 
geschweige denn über die Elbe hinaus in Deutschland zu halten. Al¬ 
lein das Land zwischen Rhein und Weser (Westphalen) schien durch 
wiederholte stegreiche Feldzüge hinlänglich gedemüthigt und erschöpft, 
um daselbst römisches Recht, römische Verwaltung, römische Steuern 
und römische Sprache einzuführen. Der Versuch schien um so ungefähr¬ 
licher, da die kriegslustige germanische Jugend bereits seit Cäsar's Zeiten 
flch gewöhnt hatte, unter den römischen Adlern in den Reihen der römischen 
Söldner mitzukämpfen und flch mit römischen Sitten und römischer Bil¬ 
dung zu befreunden. Aber dieser Versuch flel sehr unglücklich für die Rö¬ 
mer aus. Die Unvorsichtigkeit und Ungeschicklichkeit des Statthalters 
O-uintilius Varus reizte die freiheitstolzen Germanen zu einer allge¬ 
meinen Erhebung. Durch falsche Gerüchte getäuscht, in gefährliche Waldun¬ 
gen verlockt, sah flch der römische Feldherr Plötzlich von kampfbegierigen 
racheschnaubenden Schaaren germanischer Kriegshaufen umringt, und erlitt 
jene schmähliche Niederlage im Teutoburger Walde, welche mit Recht 
von den Deutschen als die große Freiheitsschlacht für das Vaterland 
gepriesen wird. Armin, der Cheruskerfürst, der den Plan gefaßt, die 
Vorbereitungen getroffen und das Ganze geleitet hatte, hat noch heute 
sein Denkmal auf den Höhen des Teutoburger Waldes als Befreier 
Deutschlands vom Römerjoch. Zwar zogen auch in den folgenden 
Jahren, unter des Augustus und unter deS T ib er i u s Regierung, noch 
wiederholt römische Kriegsheere vom Rhein bis zur Weser, von der Ems 
und Jahde aufwärts bis zum Steinhuder Meer und weiterhin; zwar erfocht 
der heldenmüthige Germanicus, des Drusus Sohn, noch manchen 
Sieg. Aber nie fiel es wieder einem Römer ein, diesseit des Rheins eine 
römische Herrschaft zu gründen und den freien Deutschen den römischen 
Gesetzes- und Gerichtszwang aufzunöthigen. Unbezwungen blieben die 
Germanen in ihrem rauhen Vaterland. Auch Germanicus mußte 
endlich auf des Tiberius Befehl seine Heerfahrten einstellen. Nur 
leider hatte Tiberius Recht, wenn er sagte, man könne die Deutschen 
mit Sicherheit ihren eignen Fehden überlassen. Innere Kriege und 
Zwistigkeiten der Stämme füllten das deutsche Land von einem Ende 
bis zum andern und verschafften den Röinern immer wieder Einfluß 
auf die unruhigen Barbaren. Marbod, der große Markomannenher- 
zog im Südosten des Suevenlandes (im jetzigen Böhmen), mußte nach
	        
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