22 Methodische Erörterungen über den Unterricht in der Heimatkunde.
festgelegt: „Der geographische Unterricht beginnt mit der Heimat-
künde." Aus ihm geht nicht hervor, ob nur die Behandlung der engern
Heimat oder die des Heimatlandes gefordert wird. Da aber die Mittel-
stufe, der wohl allgemein die Durchnahme des heimatkundlichen Lehrstoffes
zugewiesen ist, stets zwei, in manchen Schulen sogar drei Jahrgänge umfaßt,
ist Zeit vorhanden, das Lehrgebiet ziemlich auszudehnen. Meistens wird des-
halb der Begriff Heimatkunde im weitern Sinne genommen. Dem ersten
Jahrgange der Mittelstufe fällt alsdann die Behandlung der engern Heimat,
dem zweiten die des Heimatlandes zu.
Die ueueu Lehrpläne für die höhern Schulen Preußens vom Jahre
1892 sprechen nicht geradezu von einem Unterrichte in der Heimatkunde. Aber
sowohl aus der Fassung des allgemeinen Lehrzieles für die Erdkunde als auch
aus der Angabe des Lehrstoffes für die Sexta geht mit Bestimmtheit hervor,
daß der erdkundliche Unterricht auf dieser untersten Stufe im Grunde ge-
uomnien ein heimatkundlicher sein soll. Das allgemeine Lehrziel verlangt für
die Erdkunde als Erstes „Verständnisvolles Anschauen der umgebenden
Natur." Auf welche andere Weise könnte die Schule dieser Aufgabe gerecht
werden als durch einen Lehrgang in der Heimatkunde! In der Lehraufgabe
für Sexta heißt es zu Anfang: „Grundbegriffe der physischen und der
mathematischen Erdkuude elementar und in Anlehnung an die
nächste örtliche Umgebung." Dieser Satz steuert schon auf obiges allgemeine
Lehrziel los. Weiter wird gefordert: „Erste Anleitung zum Verständnis
des Reliefs, des Globus uud der Karte." Das erste kartographische
Verständnis wird man ebenfalls, wenn man psychologisch verfahren will, am
plastischen.Bilde der Heimat vermitteln müssen. In dem folgenden Satze:
„Oro- uud hydrographische Verhältnisse und Erdoberfläche im
allgemeinen, und nach denselben Gesichtspunkten Bild der engern
Heimat insbesondere, ohne Zugrundelegung eines Lehrbuches uud
wie V thunlichst in Verbindung mit der Naturbeschreibung" wird
serner ausdrücklich eine stoffliche Behandlung des Heimatgebietes ver-
langt, wobei aber, wenn man die Worte in der obigen Aufeinanderfolge faßt,
die Eigentümlichkeit vorzuliegen scheint, daß dies erst nach der allgemeinen
Betrachtung der Erdteile und Weltmeere geschehen soll, also losgelöst von der
Veranschaulichuug der erdkundlichen Grundbegriffe an heimatlichen Gegen-
ständen. Mau darf wohl' annehmen, daß dies nicht so gedacht ist, weil dann
ja der synthetische Lehrgang, der die Heimatkunde au den Anfang des erd-
kundlichen Unterricht stellt, wieder durchquert werden würde und alsdann
auch der Fall einträte, daß die Dinge der Heimat zuerst als tote Gegenstände,
gleichsam nur als Modelle, und später erst als lebensvolle Glieder einer wirk-
lichen Naturlandschaft zu betrachten wären. In der Praxis wird auch wohl
nirgendwo so Verfahren und die oro- und hydrographische Betrachtung der