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philosophisch angelegt erschien. Infolgedessen trug Ritter den Verlag
des Werkes Dietrich Reimer in Berlin an. Durch Annahme des Werkes
begründete der Reimer'sche Verlag seinen Ruhm als geographischer
Verlag, den er noch heute in vollem Maße für sich in Anspruch
nehmen darf.
Welches ist denn nun das Wesen der vergleichenden Erdkunde?
Ein Erdraum läßt sich nach neun Gesichtspunkten betrachten. Diese sind:
1. die geographische Lage eines Erdraumes,
2. die horizontale Gliederung,
3. der geologische Bau des Bodeus,
4. die orographischeu Verhältnisse (senkrechte Gliederung, Gebirge),
5. die hydrographischen Verhältnisse (Bewässerung),
6. das Klima,
7. die Flora (Pflanzenwelt),
8. die Fauna (Tierwelt),
9. die menschliche Bevölkerung.
Nicht vereinzelt sollen nun diese geographischen Objekte behandelt,
sondern ihr inniger Zusammenhang soll gezeigt werden: wie eins das
andere bedingt bezw. eins vom andern abhängig ist. Grund und
Folge, Ursache und Wirkung müssen erkannt werden. Es muß gezeigt
werden, wie die Bodengestalt die Bewässerung eines Landes beeinflußt,
wie geographische Lage, Bodenbeschaffenheit und Bewässerung auf das
Klima einwirken, wie Bodengestalt, Bewässerung und Klima wieder die
Tier- und Pflanzenwelt bestimmen, wie die Tierwelt wieder von der
Pflanzenwell abhängig ist. wie endlich alle die genannten Objekte auf
die Menschenwelt des Erdraums, ihren materiellen und geistigen Kultur-
zustand, ihre Beschäftigung, ihren Charakter usw. einwirken. Ein angst-
liches Festhalten an der Reihenfolge obiger Gliederungspunkte ist nicht
geboten; sie wird sich stets uach dem iu Frage kommenden Erdraume
zu richten haben. In jedem Falle aber muß mit der Betrachtung der
Verhältnisse begonnen werden, von denen andere Zustände abhängig
sind, die also zu deren Erläuterung dienen. Und da nun von den
natürlichen Verhältnissen eines Erdraumes die kulturellen Zustände des-
selben, d. h. die menschlichen Erwerbs- und Kulturverhältnisse, die
Menschen in ihrer mannigfachen Kulturarbeit, in Charakter, Sitten usw.,
ja selbst die staatliche Zusammenhörigkeit abhängig sind, so muß der
Betrachtung der Erwerbs- und Knlturverhältnisse, also der Betrachtung des
Kulturbildes, die Erklärung der natürlichen Landschaft, der physischen Ver-
Hältnisse des Erdraumes,voraufgehen. Man wird also nichtvon den kulturellen