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Lehraufsätze.
daß, was den Theilnehmern an einem großen
irdischen Baue oft versagt ist, ihm wird ver—
gönnt werden: daß seine Augen dereinst das
Werk schauen werden, für das er sich mühete.
Diese Hoffnung stärkt seine Kraft. Er weiß,
daß der Meister die Weisheit selbst ist, aber
auch unendlicher Güte voll und daß er Allen,
die mit treuem Sinne das göttliche Werk
fördern, durch das Anschauen seiner unaus—
sprechlichen Größe und Herrlichkeit lohnen
wird. Fr. Jacobs.
sätzen; Manches thun wir mit Vorsaß u
inferer Freunde winen, Manches, ohne da
wir uns dessen bewußt sind; und so werde
wir endlich ein Wesen, ganz verschieden von
dem, was wir früher waren.
Karoline Pichlet
91. Hund und Kattze.
Hund und Katze gehören zu den Raub
thieren und fressen daher am liebsten Fleih
beide treten auf den Zehen auf; beide n
schon vor undenklichen Zeiten gezähmt un
zu Hausthieren gemacht worden; beide wel
den auch zu ähnlichen Zwecken gehaln
entweder aus Liebhaberei, daher man woh
von Hunde⸗ und Katzennarren spricht, ode
zum Schutz gegen überlästige Geschöpfe und
zur Jagd; beide haben ein leises Gehn
Neide eben es, wenn man ihnen schmeiche
und freundlich thut; beide werden bei un
icht degessen obgleich ihr Fieish epbar i
und gut von Geschmack sein soll.
Aber wie groß ist andererseits die
schiedenheit diefer Thiereln Um bei ihr
Aeußern zu beginnen, so finden wir, daß d
Hunde an Gestalt und Größe von einande
so sehr abweichen, wie sonst keine Thiera
die Katzen dagegen überall einander gleiche
Besonders ist der Kopf des Hundes dem d
Katze unähnlich; bei jenem streckt sich di
Nase vor bei diefer i der Ropf kung un
gerundet. Der Hund hat eine weiche Zung
die Katze eine rauhe.
Auch im Gange herrscht große Vershied
heit. Der Hund trabt, d. h. er tritt u
bem rechten Vorder⸗ und dem linken Hintt
füße zugleich auf, während der Gang
Katze von der Art ist, die wir beim Pfe
den Zeltschritt nennen, indem sie stets n
den Füßen auf der gleichen Seite des
pers fortschreitet. Der Hund läuft sehr snn
wogegen die Katze nur schleicht, wenn
nicht etwa auf der Flucht ist, oder ihre v
verfolgt, wo sie dann gewaltige Sätze mach
Da Hund trin giemlih derb anf wahren
die Kahe ganz leise und unhörbar dahet
gleitet. Der Hund scharrt mit den Vorden
pfoten, kann aber nicht klettern; die u
scharrt nicht häufig, klettert aber gern un
pfeilschnell.
Was die Sinne belrifft, so hat der din
bekanntlich einen äußersi scharfen Geru
90. Veredlung der Bäume und der
Menschen.
Es ist doch eine schöne Erfindung um das
Impfen der Bäume! Alle diese jungen
Wildlinge, die von abgefallenem Obste frei—
willig aufsproßten, werden nun in einigen
Jahren edle Früchte tragen, da sie sonst nur
ungenießbares Obst gebracht haben würden.
Mit kluger Wahl und vorsichtig schlitzte der
Gärtner die zarte Rinde auf, setzte ein Auge
von einem edlen Fruchtbaume hinein und
verband die Wunde mit Wachs und Bast.
Jetzt ändert sich die ganze Natur des Baumes:
sein innerer Bau, die Richtung seiner Adern
und Fäserchen wird eine andere; er verkocht
die Säfte, die er aus der Erde zieht, auf
andere Weise; seine Blätter saugen Thau und
Luft anders ein; und dieselbe Nahrung, die—
selben Sonnenstrahlen bilden nun künftig,
statt einer bittern oder sauren Frucht, einen
erröthenden Pfirsich oder eine goldene Aprikose.
So sehr wirkt das eingesetzte edle Auge auf
die Art des Bäumchens und ändert seine
ganze Natur.
Eben so unwiderstehlich wirken Umgang
und freundschaftliche Verbindungen, deren
Gewalt der Unerfahrene zu wenig kennt und
denen er sich oft zu sorglos überläßt, auf
unser Herz und unser ganzes Innere. Wie
das eingeimpfte Auge die Natur des
Baumes, so ändert ein vertrauter Umgang
unsere Denkart und Sitte. Die Gedanken
unserer Freunde ziehen in uns über; ihre
Reden, ihre Handlungen wirken auf uns;
unmerklich nehmen wir ihre Gewohnheiten,
ihre Lebensweise an und gewöhnen uns, die
Dinge um uns her aus dem Gesichtspunkte
zu betrachten, aus dem unsere Freunde sie
ansehen; unsere Entschlüsse und Handlungen
fließen nicht mehr allein aus unsern Grund—