98 Sechstes Kapitel.
Im Jahre 1882 wurden in das deutsche Zollgebiet an sämtlichen Meeres-
Produkten eingeführt für 77 Mill. Mark. Allein in Preußen wurden für 20 Mill.
Mark mehr ein- als ausgeführt. — Wie fehr Deutschland im Fischereibetriebe auf den
benachbarten Meeren zurücksteht, ergibt sich aus folgenden Angaben: Der Betrag,
welcher aus der Befischung der Nordsee jährlich entnommen wird, beziffert sich aus
ungefähr 500 Mill. Mark, an welcher Summe Deutschland einen kaum nennens-
werten Anteil hat, während die britischen Fischer, 120000 an der Zahl, jährlich
550000—600000 Tonnen Fische, allein für 3 Mill. Pfd. Sterl. Heringe, und an
Fischen überhaupt für 13 Mill. Pfd. Sterl. (2ö0 Mill. Mark) gewinnen. Da zu
der Beute der englischen Fischer noch der Import von Norwegen :c. kommt, so
beträgt die tägliche Zusuhr des Fischmarktes in London 500 Tonnen (160000
Tonnen jährlich). Das kleine Norwegen hatte es 1882 auf einen Fischexport im
Werte von über 54 Mill. Mark gebracht, wobei namentlich Dorsche und Heringe
vertreten waren. Welche Meeresschätze entgehen Deutschland, wenn man erwägt,
daß nach wissenschaftlicher Untersuchung der Ministerialkommission in Kiel allein im
Bereiche der Ostsee auf 1 ha Wasser durchschnittlich 23,7 kg- Fischertrag, also im Be-
reiche des deutschen Teiles der Ostsee 18387000 kg Fische im Werte von etwa 9200000
Mark, angenommen werden können!
Von den Fischen ist zunächst der Lachs wichtig, welcher rheinanswärts bis in
die Schweiz zieht, und die Wasserstraße der Elbe bis in die Gegend von Prag, also
500 km von der Nordsee entfernt, verfolgt und jetzt wieder mehr gefangen wird.
An dem Dorschfange hat Deutschland einen nur mäßigen Anteil. Die wich-
tigsten Fanggründe für solche Fische (die neusundländischen und die norwegischen
Gewässer) find entlegen, jedoch reicht der Verbreitungsbezirk derselben auch bis in
die südlichen Teile der Ostsee hinein.
Weit bedeutender ist der Fang des Herings, der in einer Anzahl von Unter-
arten, wie Sardellen, Sardinen, Anschovis, Sprotten ?c., vorkommt. Der gemeine
Hering bevölkert in unermeßlichen Scharen den nördlichen Teil des Atlantischen
Ozeans bis an die Nordküsten von Frankreich, und die anwohnenden Völkerschaften
find mit feiuem Fange beschäftigt. Leider beteiligen sich die Deutschen am Herings-
fange der Nordsee nur von Emden aus, während an der Ostsee mehr Ausgangs-
Häsen für diesen Fisch liegen, unter denen Eckernförde, Travemünde, Barth wohl
voranstehen. Daß der deutsche Gewinn gegenüber dem der Norweger, Schotten,
Holländer, ja selbst der Engländer und Franzosen ungemein weit zurück steht, ist
bereits erwähnt. Die Emdener Heringssischerei-Aktiengesellschaft hat mit elf Schiffen
1882—83 6862 Tonnen ä ca. 800 Stück eingebracht im Werte von rund 270000
Mark. In Eckernförde werden jährlich etwa 2, in Travemünde 3 Mill. Heringe
gefangen, was nicht viel besagen will. Allein Schottland gewinnt jährlich 800000
bis 1600000 Tonnen, ganz Nordeuropa etwa 3830 Mill. Stück. Bei dem so nie-
drigen Stande der deutschen Heringsfischerei ist es kein Wunder, daß 1883 die Herings-
einfuhr 867977 Tonnen im Werte von über 32 Mill. Mark betrug und 1884 sogar
962977 Tonnen. — Sprotten werden in der Ost- und Nordsee ziemlich viel, allein
in Eckernförde jährlich 2 Mill. Stück, gefangen.
Die Makrele, welche ebenfalls im Nordatlantischen Ozean in großen Schwär-
men auftritt, bietet bisher für den deutschen Fischereibetrieb fast gar keine An-
ziehnngskraft, dagegen beteiligen sich deutsche Fischer jährlich mit etwa 40 Fahr-
zeugen am Walfisch- und Robbenfang im hohen Norden. Der Makrelenfang
im Nordatlantischen Ozean wird ans einen Wert von etwa 60 Mill. Mark geschätzt,
allein die Norweger fangen 30—35 Mill. Makrelen im Werte von 3 Mill. Mark. —
Der Ertrag eines deutschen Walfischfahrers kann auf 25000 Mark berechnet werden,
das Unternehmen ist allerdings sehr gefahrvoll. Walfischfahrer gehen von Hamburg,
Bremen, Emden, Glückstadt, Altona, Oldenburg und kleineren Plätzen aus.
Austern finden sich auf deu im Wattenmeere der Westküste von Schleswig-
Holstein, bei Sylt, Föhr und Amrum gelegenen Bänken. Die Ansternbänke an der
Westküste sind Staatseigentum und für ca. 163000 Mark verpachtet gewesen; es
wurden höchstens 5000 Tonnen & 800 Stück jährlich gefangen. Seit 1881 mußte
die Austernfifcherei eingestellt werden, weil die Austernbänke, wahrscheinlich infolge
allzustarker Ausbeutung, sehr geschwächt waren. An der Ostküste hat man Zucht-
versuche mit amerikanischen Austern aus Gewässern mit ähnlichem Salzgehalte, wie