6 Erstes Kapitel.
§ 3. Die politische Grenze.
Je nachdem man nun die Grenzgebiete, besonders im Osten, hinzu- oder
abrechnet, ergibt sich die Größe des deutschen Landes in einem Umfange von
mindestens 14500 und höchstens 17 000 geographischen Quadratmeilen. Doch
das Deutsche Reich umfaßt keineswegs dieses ganze Gebiet, sondern bleibt
im Osten, Südosten, Süden und Westen, obgleich es auch mehrere Mischpro-
vinzen einschließt, erheblich hinter demselben zurück.
Wir betrachten, um dieses Verhältnis näher zu kennzeichnen, nunmehr die
Grenzen des Deutschen Reiches: Im Süden entsprechen dieselben zunächst im
ganzen einer Linie, welche von der Salzach bei Hallein und von der Saalach oberhalb
Reichenhall westwärts zu dem Bodensee in der Gegend von Lindau gezogen wird;
dieselbe durchzieht hier die Salzburger, Bayrischen und Allgäuer Alpen der Länge
nach, greift aber zwischen der Salzach und ihrem Zuflüsse Saalach mit der Herr-
fchaft Berchtesgaden, zwischen den Quellen der Isar und ihres Zuflusses Loisach,
sowie an der Quelle der Jller über jene Linie hinaus gegen Süden. Die bekannten
Alpenhäupter Watzmaun und Zugspitze fallen in diesen Gegenden eben noch in das
Deutsche Reich, doch werden die Alpenländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg von
ihm ausgeschlossen. Der Bodensee bespült auf seinem Nord- und Nordwestufer
deutsches Land, während sein Südufer der Schweiz, sein Südostufer der österreichischen
Monarchie angehört, doch schneidet hier die deutsche Stadt Konstanz mit ihrem Ge-
biete in das Schweizerland ein. Von dem Austritte aus dem Bodensee (dem Unter-
fee) an bildet bis Basel im allgemeinen der Rhein die politische Grenze gegen die
Schweiz; doch springt diese mit dem kleinen Kanton Schaffhausen aus das rechte
Rheinufer hinüber, und auch der Kanton Basel-Stadt besitzt aus demselben an der
Mündung des Flüßchens Wiese ein kleines Territorium. Von dem Rheine wendet
sich die Grenze gegen Südwesten zum Jurazuge, um sodann aus der Nähe des
M. Terrible nordwestwärts am Elsasser Belchen den südlichsten Teil des Wasgen-
Waldes zu erreichen. Daß auf der zuletzt betrachteten Grenzlinie die vorherrschend
der deutschen Nationalität angehörige Schweiz ausgeschlossen wird, sei wiederholt
hervorgehoben.
Gegen Westen hin, wo durch den Krieg von 1870—71 die Reichslande Elsaß-
Lothringen gewonnen worden sind, läuft die Grenze anfangs auf dem Kamme des
Wasgenwaldes entlang bis in die Gegend des Donon und der Quelle der Weißen
Saar, um alsdann in nordwestlicher Richtung unterhalb der Stadt Pont-a-Mousson
die Mosel zu erreichen; jenfeit der Mosel beginnt etwa westlich von Gorze eine
nördliche Richtung, mit welcher die Grenze, immer einige Meilen von dem linken
Ufer des Flusses entfernt bleibend, an der Quelle des Flüßchens Alzette (Esch) das
Großherzogtum Luxemburg berührt. Nachdem dann die Grenze ostwärts wieder die
Mosel erreicht hat, hält sie bis zu dem Mündungsgebiete der Ems (Dollart) hin
im wesentlichen die Richtung von Südsüdwest gegen Nordnordost inne. Anfangs
scheiden hier die Mosel und ihre Zuflüsse Sauer (Sure) und Our das erwähnte
Luxemburg von der preußischen Rheinprovinz, sodann berühren sich auf einer etwa
südnördlichen Grenzlinie bis zur Deltabildung des Rheins hin das Königreich Bel-
gien und die holländische Provinz Limburg mit der Rheinprovinz. Hier schneidet
zwischen Wurm und Roer deutsches Gebiet ein, während in der Gegend von Geldern
die deutsche Grenze gegen Osten zurücktritt. Am Rhein schneidet dann aber in der
Gegend von Kleve und Emmerich das deutsche Gebiet nordwestwärts in das hollän¬
dische ein, sodann nochmals im Süden von Coevorden; von dem Dollart an ist die
Ostküste im Besitze des Deutschen Reiches.
Verfolgen wir die Nord grenze, so sehen wir vom Dollart die Küste an der
Nordsee bis zur Elbmündung bei Kuxhaven zunächst im ganzen gegen Ostnordost
laufen, von den ostfriesischen Inseln begleitet, aber in der Mitte dieser Strecke
schneiden der Jadebuseu und die Wesermündung tief gegen Südsüdost ein. Von
derl Elbmündung an, die einen breiten Einschnitt gegen Osten darstellt, hat die
schleswig-holsteinische Küste eine vorherrschend südnördliche Richtung, doch sind Ein-
buchtungen in der Gegend von Meldorf, Tönning (Eidermündung) und Husum zu