10 Zweites Kapitel. 
Schieferschichten derselben, zersprengt, zerrissen, gehoben, gefaltet und überhaupt der- 
ändert. Die granitischen Zentralmassen haben also für die Gestaltung des gewal- 
tigen Alpengebäudes den eigentlichen Hebel gebildet. Aber auch diese haben später 
mannigfache Umwandlungen erfahren. Denn Hitze, Dämpfe, Gase und Säuren 
sorgten fortgesetzt für die Zertrümmerung älterer und die Bildung neuer Gesteine, 
und noch jetzt ist dieser Entwickelungsprozeß keineswegs zum Abschlüsse gelangt. 
Es läßt sich nun zunächst die Zone der Zentralalpeu unterscheiden, 
welche aus kristallinisch-schieferigen Gesteinen, besonders aus Gneis und Glim- 
merschiefer bestehen, die von granitischen Massen durchbrochen sind. Diese 
Mittelzone wird im Westen, Norden und Süden von Nebenzonen begleitet, 
welche größtenteils aus Kalksteinen, Sandsteinen und Schiefern bestehen und, 
da die ersteren vorherrschen, mit dem Namen Kalkalpen belegt zu werden 
Pflegen. Diese Alpen senken sich gegen die Vorberge und die Ebenen nieder, 
welche den Fuß des Gebirges umgeben; sie sind es, die für das Deutsche 
Reich nur in Betracht kommen. 
Im eigentlichen Sinne ist das Alpengebirge kein Kettengebirge zu 
nennen, wie man noch vielfach annimmt, vielmehr zerfällt dasselbe in eine 
Anzahl selbständiger Gebirgsgruppen oder Massivs, welche aus einem 
Granit- oder Gneisstocke bestehen und wiederum von Schiefern und Kalken 
umgeben sind. Diese Gruppen sind entweder unter sich parallel, oder wie Felder 
eines Schachbrettes gegeneinander gestellt, zwischen denen mehr oder weniger 
zusammenhängende Mulden und Thäler die Scheidegrenzen bilden. Erst in 
den Ostalpeu lassen sich längere Parallelketten deutlich verfolgen. Der er- 
wähnten eigentümlichen Gruppierung des Gebirges entspricht es, daß das- 
selbe allenthalben von tiefen, reich bewässerten und fruchtbaren Thäleru durch- 
zogen ist, in denen zahlreiche Bewohner sich niederlassen und selbständige 
Völker und Staaten bilden konnten, und da diese Thäler fast überall durch 
Bergpässe, welche sich entweder durch jene Mafstvs hindurchwinden oder in die 
Kämme tief eingeschnitten sind, in Verbindung gesetzt werden, so sind die 
Alpen, wiewohl sie in Klima, Vegetation und Tierwelt für Europa eine 
wichtige Grenzscheide darstellen, doch eins der zugänglichsten und passierbarsten 
Gebirge unsres Erdteils. Infolgedessen haben anch seit den ältesten Zeiten 
viel benutzte Straßen durch dieselben geführt und gehen gegenwärtig teils 
über ihre Pässe (Brenner, Schober, Semmeriug), teils, vermittelst kunstreicher 
Tunnels, durch ihre Tiefen hindurch (Mont Cenis, St. Gotthard, Arlberg) 
wichtige Eisenbahnlinien zur Vermitteluug des Weltverkehrs. 
Hinsichtlich der Höhen Verhältnisse unterscheidet man 1) Voralpen, 
von 600—1800 m Höhe, 2) Mittelalpen, etwa von 1300—2700, bez. 
(im Süden) 2800 in, d. h. bis zur Schueegrenze. und 3) Hochalpen, von 
2700, bez. 2300 in, aufwärts bis zu den höchsten Erhebungen. Die erst- 
erwähnte Vorstufe, dereu Grenze zusammenfällt nicht nur mit der Grenze 
des Holzwuchses, sondern im allgemeinen auch mit derjenigen bleibender An- 
siedelungen der Menschen, läßt sich wiederum in drei Regionen zerlegen, deren 
unterste, etwa bis zu 800 m Höhe, durch den Anbau vou Nußbäumen und 
Edelkastanien sowie von Mais und Weinstöcken (im Süden bis zn 900 m) 
charakterisiert wird, während die zweite, bis zu 1300 in, iu Wäldern das 
Vorherrschen der Buche und an den Abhängen die Kultur der europäischen 
Getreidearteu sowie uusrer gewöhnlichen Obstbäume zeigt, uud die dritte
	        
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