314 Erstes Kapitel.
Städte und Bischöfe in diesen Gegenden herbei, welche zuletzt eine fast völlige
Unabhängigkeit von Kaiser und Reich erlangten. Damals gewann das auf der
Wartburg herrschende Geschlecht die Landgrafenwürde in Thüringen, und dieses
Gebiet wurde in die Kämpfe zwischen dem Kaiser Heinrich IV. und den Sachsen
verwickelt (Schlacht bei Hohenburg 1075, bei Hohenmölsen 1080). Gegen Kaiser
Heinrich V. lehnten sich die Dynasten dieser Gegend gleichfalls auf, denn unter
Führung Lothars von Süpplingenburg, Wieprechts von Groitzsch, Ludwigs des
Springers und andrer kämpften sie erst unglücklich bei Warnstädt (1113), dann sieg-
reich am Welfsholz bei Mansfeld (1115) gegen den kaiserlichen Feldherrn Hoher
von Mansfeld. Sehr einflußreich war bald darauf für die geschichtliche Entwicke-
lung dieser Gegenden die Belehnung Konrads von Wettin mit der erblichen Mark-
grafenwürde von Meißen durch Kaiser Heinrich V. (1123), ein Akt, durch welchen
zugleich diese südliche Wendenmark aus dem Abhängigkeitsverhältnisse zu dem Herzog-
tum Sachsen ausschied. Unter Heinrichs Nachfolger, Lothar dem Sachsen, geschah
die gleichfalls höchst folgenreiche Belehnung Albrechts des Bären mit der Nordmark,
dessen um die brandenburgischen Lande vermehrtes Gebiet unter dem folgenden
Kaiser gleichfalls vom Herzogtum Sachsen unabhängig wurde. Nach der Ächtung
Heinrichs des Löwen (1180), dessen germanisierende Wirksamkeit hauptsächlich nörd-
licheren Gegenden (Mecklenburg, Holstein) zu gute gekommen war, wurde der Sohn
Albrechts des Bären, Bernhard, mit der Herzogswürde von Sachsen belehnt, die,
ebenso wie die später hinzukommende Kurwürde, freilich an dem verhältnismäßig
kleinen Gebiete von Sachsen-Wittenberg haftete. Nach dem kinderlosen Tode des
Markgrafen von Meißen behaupteten Friedrich mit der gebissenen Wange und Diez-
mann aus dem Hause Wettin, die Söhne des Landgrafen Albrecht von Thüringen,
gegen König Adolf von Nassau Meißen und die Ostmark, und beim Aussterben der
Askanier in Sachsen-Wittenberg wurde der Besitz der Wettiner auch um dieses Land
vermehrt (1423). Die Teilung der Dynastie in einen Ernestinischen und einen
Albertinischen Zweig brachte jenem anfangs die Kurwürde mit Sachsen-Wittenberg
und Thüringen, diesem die Meißenschen Lande, und jener übernahm in fürsorglicher
Weise die Beschützung des Wittenberger Reformators und seines Werkes ^Friedrich
der Weise, Johann der Beständige und Johann Friedrich); als jedoch bei Mühlberg
(1547) Johann Friedrich dem Kaiser Karl V. und seinem Vetter Moritz gegenüber
erlag, wurde letzterer mit der Kurwürde bekleidet und erhielt das Land Wittenberg
zu seinem Meißener Gebiete hinzu, während die ältere Ernestinische Linie sich hin-
fort auf Thüringen beschränken mußte. Die sächsischen und thüringischen Bistümer
wurden 1564 eingezogen. In den folgenden religiösen Streitigkeiten, besonders im
Dreißigjährigen Kriege, stand Kursachsen nicht unter der Reihe der Verteidiger der
evangelischen Kirche, und verschuldete, um äußerliche Vorteile (Erwerbung der Lausitz)
zu gewinnen, teilweise die Niederlage der Protestanten. Nur notgedrungen trat es
später in einen Bund mit Gustav Adolf von Schweden (1631), verließ aber diese
Partei bald wieder (im Frieden zu Prag 1635). Im Westfälischen Frieden (1648)
fielen die Stifter Magdeburg und Halberstadt nebst der Grafschaft Reinstein und
einem Teile von Hohenstein an Kurbrandenburg. Dasselbe erwarb sodann die
übrigen Gebiete der Provinz nach und nach, nämlich 1697 die Schutzherrschaft über
das Stift Quedlinburg (einverleibt 1803), 1780 einen Teil der Grafschaft Mansfeld
(der übrige fiel an Kursachsen), 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß die
kurmainzischen Länder in Thüringen (Erfurt, das Eichsfeld), die Grafschaft Unter-
gleichen, Treffurt und die freien Städte Mühlhausen und Nordhausen. Nachdem
während der Napoleonischen Zwingherrschaft die preußischen Besitzungen in der Pro-
vinz westlich von der Elbe zu dem Königreich Westfalen gehört hatten (mit Ans-
nähme von Erfurt, das direkt zu Frankreich gekommen war), fielen sie durch die
Beschlüsse des Wiener Kongresses dem Staate der Hohenzollern wieder zu, welcher
überdies von dem Königreiche Sachsen noch den nördlichen Teil (Wittenberg, Merse-
bürg, Naumburg :c.) und Gebiete auf dem Thüringer Walde (Suhl-Schleusingen,
Ziegenrück, Gefell), sowie die Grafschaften Stolberg-Roßla und Stolberg-Stolberg
und Barby mit dem Amte Gommern erhielt. Aus den älteren Besitzungen dieser
Gegend (Altmark, Magdeburg, Halberstadt ?e.) und diesen neuen Erwerbungen,
sowie einem kleinen Teile der Kurmark wurde nunmehr die Provinz Sachsen
gebildet.