Stanley: Im Urwald Mitamba am oberen Kongo. „ 9 
alters buntgemischte Kolonne zog voraus, und der in ihr herrschende 
Mangel an Ordnung und Gedrängtheit des Zuges wurde uns im Nach- 
trabe zu einer Quelle von mancherlei Not und Beschwerde. 
Wir, die wir an ein schnelles Marschieren gewöhnt waren, mußten 
öfter minutenlang aus einer Stelle stehen bleiben und geduldig warten, 
bis wir einige Schritte vorrücken konnten, und danach wurde wieder Halt 
gemacht, und wenn wir eine kurze Strecke weiter gezogen, konnten wir 
wieder nicht vorwärts. Während der ganzen Zeit ließen aber die Bäume 
unablässig ihren Tau wie Regen in großen, runden Tropfen ans uns 
niederfallen. Jedes Blatt fchien Thronen zu vergießen. An den Stämmen 
und Zweigen und längs der Schlinggewächse und der von Pflanzen ge- 
bildeten Gnirlanden träuselte die Feuchtigkeit herab und siel auf uns 
nieder. Über unseren Köpfen schlössen die sich weit ausbreitenden Zweige 
iu vielen durcheinander gewobenen Schichten, da jeder Zweig breite, dicke 
Blätter trug, ganz und gar das Tageslicht ab. Wir wußten nicht, 
ob draußen die Sonne hell schien oder ob der Tag dunkel, trübe und 
neblig sei; denn wir zogen in einem matten, feierlichen Zwielicht dahin, 
so wie man es in der gemüßigten Zone eine Stunde nach Sonnenunter- 
gang beobachten mag. Der Pfad wurde bald zu einem zähen, lehmigen 
Teige, und bei jedem Schritte spritzten wir schlammiges Wasser über die 
Beine unserer Vorder^ und Nebenmänner. 
Zu unserer Rechten und Linken türmte sich ungefähr zwanzig Fuß 
hoch das Unterholz auf, die niedere Welt der Vegetation. Der Boden, 
auf dem dasselbe gedeiht, ist ein dunkelbrauner vegetabilischer Humus, 
die seit Jahren angehäuften Überreste faulender Blätter und niedergefallener 
Zweige, ein wahres Treibhaus für das Pflanzenleben, ein Mistbeet, das 
beständig mit Feuchtigkeit getränkt, in erstaunlichem Grade die Zeugungs- 
kraft der Natur in den feuchtwarmen Schatten der Tropen veranschaulicht. 
Da der unter dieser Dammerde liegende steife Lehm die Feuchtigkeit 
nicht durchläßt, fo bietet sie beständig den Millionen von kleinen Wurzeln 
der Kräuter, Blumen und Gebüsche reichliche Bewässerung. Die uuzähl- 
baren Arten von Gewächsen, welche mit so wunderbarer Schnelligkeit auf- 
schießen, würden, wenn sie einem Sturme ausgesetzt würden, bald zum 
großen Teil auf dem Boden hingestreckt liegen. Aber wie vermöchten rauhe 
Windstöße in das tiefe Gefängnis dieses Waldschattens einzudringen? 
Der Sturm mag außerhalb dieser Welt von Blättern brausen, aber in 
ihrem tiefen Schöße würde doch die ungestörteste Stille herrschen. Man 
braucht nur an einem Bäumchen zu zerreu und man bemerkt sogleich, 
daß die lockere Dammerde nicht die Kraft besitzt, dasselbe festzuhalten, 
und daß feine Wurzeln nicht in den Lehm eingedrungen sind. Selbst 
die Riesen des Waldes sind nicht tief eingedrungen, wie man an ihren zur 
Hälfte offen daliegenden Wurzeln sieht; sie scheinen sich in ihrer ans-
	        
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