Reiß: Die Jivaros-Jndianer in Ecuador. 249
geführt haben. Will man nicht tagelang am Orte verweilen oder die
wenigen freien Stunden zum Sammeln verwenden, so mangelt bei den
laugen Ritten zur Jagd die Zeit. Auch das Klima tritt hinderlich da-
zwischeu; ehe man die Festigkeit seines Körpers zweifellos erprobt hat.
soll man nicht neue Mühen zu den ohnehin großen Strapazen hinzu-
fügen.
17.
Die Livaros-Lndianer in Ecuador.
W. Reiß.
Überall im Walde, zuweilen kaum eine Biertelstunde von Macas *)
entfernt, liegen die großen Tambos der Jivaros- Indianer. Schmale Pfade
führen durch den dichten Wald, denen folgend man ganz plötzlich und ohne
vorherige Anzeichen einer Kultur den freien, das Haus rings umgebenden
Platz betritt. Jedes Haus liegt einzeln für sich wie verloren im Walde
und wird meist von einer, selten von mehreren Familien bewohnt. Bei
der Annäherung müssen Vorsichtsmaßregeln beobachtet werden, um sich einen
freundlichen Empfang zu sichern. Schon aus großer Entfernung wird
durch Rufen der Besuch angekündigt, in der nächsten Nähe des Hauses
aber im tiefsten Schweigen marschiert. Es geschieht das, um die sried-
liche Absicht zu dokumentieren; denn bei einem Uberfalle schleicht der
Jivaro still durch den Wald, stürmt aber mit lautem Kriegsgeschrei
über den freien Platz auf das Haus los.
Die Häuser, die Tambos, sind wahre Waldpaläste, äußerst sauber
und regelmäßig aufgerichtet, mit glücklicher Beuutzuug des vom Walde
gebotenen Materials. Das hohe, schön aus Palmblättern geflochtene
Dach wird durch mehrfache Reihen schlanker Säulen, den nntadelhasten
Stämmen riesiger Palmen getragen; das Sparrenwerk ist zierlich ange-
ordnet, so daß es als Verzierung gelten kann. Die Wände ringsum,
aus gespaltenem Bambus enge gefugt, füllen kaum den halben Raum
zwischen Boden und Dachraum, so daß die Luft freien Zutritt siudet
und doch gegen einen ersten Angriff Schutz gewährt wird. Zwei Thüreu
weist jedes Haus auf, die eine an der geraden Vorderwand, die andere
in der Mitte der halbkreisförmig ausspringenden Rückseite. Das Haus
eines jungen Häuptlings war 27 Meter lang, 19 Meter breit und etwa
8 Meter hoch, ein luftiger, schöner Bau. Das vordere Drittel diente ge-
wissermaßen als Empsangssalou. An den das Dach tragenden Palm-
1) Am Oberlaufe des Rio Upano, eines Nebenflusses des Mararion, etwa 370
Kilometer nordöstlich von Cnenca,