Roskoschny: Die Turkmenen. 333 
fangenen zur größten Eile an. Wenn sie Herden erbeutet haben, geht es 
allerdings nur langsam vorwärts, aber mit eiuem Gefangenentransport 
werden nicht viel Umstände gemacht. Die Armen werden vor den Pferden 
hergetrieben oder müssen, an den Schweis eines Pferdes angebunden, 
mit diesem gleichen Schritt halten. Im Aul angekommen, erwarten den 
Gefangenen neue Leiden. Die Beute wird verteilt, und jeder Teilnehmer 
am Alaman erhält einen gleichartigen Anteil an derselben. Die geraubten 
Tiere und Waren behält er, aber die Gefangenen müssen erst verwertet 
werden: entweder wird für sie von den Verwandten ein Lösegeld erlegt, 
oder sie werden als Sklaven verkauft. Dem Turkmenen kommt es nun 
zunächst darauf an, zu erfahren, ob sein Gefangener arm oder reich ist. 
Ein gleich großes Interesse hat aber der Perser, seinen etwaigen Reich- 
tum nicht zu verraten, um mit einem möglichst geringen Lösegelds sich 
freizukaufen. Schläge und Martern aller Art werden dann angewendet, 
um von ihm ein Geständnis zu erpressen, das seinen Herrn befriedigt, 
und wenn dieses erlangt ist, beginnen die Verhandlungen mit den Ver¬ 
wandten des Gefangenen, die aufgefordert werdeu, bis zu eiuem bestimmten 
Tage das Lösegeld zu zahlen. Wenn die Zahlung ausbleibt, wird der 
Gefangene als Sklave verkauft. 
So groß die Verheerungen waren, welche die Turkmenen auf ihren 
Raubzügen anrichteten, so blieb doch die große Masse des Volkes immer 
arm, uud jene, welchen es gelang, einiges Geld zu erwerbeu, wußten 
nicht, was sie damit anfangen sollten. „Ich habe", schreibt Vambery, 
„viele Turkmenen keimen gelernt, die trotz alles Wohlstandes immer ge- 
trocknete Fische aßeu und Brot sich nur einmal die Woche gönnten." 
Bei den nomadisierenden Stämmen beträgt der Wert der Habe einer 
Familie gewöhnlich nicht viel mehr als 200 Rubel. (1 R. = 3,24 M.) 
Ein oder zwei Pferde, ebeufo viel Kamele, einige Hammel, eine Filz- 
jurte, die schnell aufgerichtet und noch schneller abgebrochen werden kann, 
einiges Kochgeschirr uud Filzstncke, die zum Lager dienen, das ist alles, 
was ein nomadisierender Turkmene außer seinen Kleidern und Waffen 
sein eigen nennt. Die letzteren bestehen aus Lauzen, Säbeln, Pistolen 
und Gewehren alter Konstruktion, an denen ein Doppelbajonett befestigt 
ist. Viel mehr Wert als die Waffen haben die Pferde. Als echter Wüsten- 
söhn liebt der Turkmene sein Pferd über alles. Der Verlust von Weib 
uud Kind würde ihn nicht so schmerzen wie der Verlust eines Pferdes, 
das er sorgfältig aufgezogen hat. Die Turkmenenpferde find arabischer 
Abstammung, und unter dem Vollblnt, welches Bedwai (Beduinen) ge- 
uannt wird, trifft man vortreffliche und ausdauernde Renner. Für den 
äußeren Aufputz derselben giebt der Turkmene sein Letztes hin nnd hüllt 
sich selbst in ärmliche Lumpen, wenn er nur prächtiges Sattel- und 
Zaumzeug für fein Pferd besitzt. Wenn er matt und müde von weitem,
	        
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