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1. Deutschland.
näheren Besichtigung müssen wir die breite Steintreppe liinaufsteigen.
Schon dieser Aufgang ist grossartig und lässt Grossartiges erwarten.
AVir stehen vor dem Marmorbau. „Walhalla" ist ein Tempel in Gestalt
eines grossen, länglichen Vierecks, ringsum von Säulen umgeben. Auf
den Längs-(Front-)Seiten sind je 17, auf den schmalen (Giebel-)Seiten
je 8 Säulen. Die beiden Giebel wände sind mit Marmorgruppen ge¬
schmückt. Diese stellen die 2 grossen Freiheitskämpfe der Deutschen
gegen die Römer und gegen Napoleon I. dar. Treten wir in das Innere
der "Walhalla! Der Glanz und die Kunst wirken entzückend auf das
Auge des Beschauers. Das Licht fällt von oben durch Öffnungen in
der Decke. Der Fussboden ist aus buntem Marmor mosaikartig zu¬
sammengesetzt. In ihn sind drei Jahreszahlen eingefügt: 1807, 1830
und 1842. 1807 wurde der Beschluss zum Bau gefasst, 1830 der
Grundstein gelegt, und 1842 bezeichnet das Jahr der Vollendung. Die
Wände ringsum sind in Felder eingeteilt. Letztere sind ganz mit kost¬
barem roten Marmor bekleidet. In diesen Wandfeldern stehen die weissen
Büsten von mehr als 150 deutschen Männern und Helden.*) Zwischen
den einzelnen Büstengruppen zeigen sich geflügelte weibliche Figuren aus
blendend weissem Marmor, Walküren darstellend. Den Saal umzieht in
einer Länge von 91 m ein kostbarer Fries. Er soll an Deutschlands Ur¬
geschichte bis zur Unterwerfung des Heidentums durch Bonifacius erinnern.
Diesen gewaltigen Prachtbau hat König Ludwig I. von Bayern auf¬
führen lassen. Er sollte ein Ehrentempel oder eine Ruhmeshalle für
solche deutsche Männer sein, „die auf die Entwickelung des Volkes und
seine Geschichte einen ausgezeichneten Einfluss ausgeübt haben". Er
wurde bei der Einweihung von dem königlichen Gründer empfohlen
mit den Worten: „Möchte Walhalla förderlich sein der Erstarkung und
Vermehrung deutschen Sinnes! Möchten alle Deutsche, welchen Stammes
sie auch sein mögen, immer fühlen, dass sie ein gemeinsames Vaterland
haben, ein Vaterland, auf das sie stolz sein können!" (Eutzen a. a. O. 156.)
Westlich von diesem bedeutsamen Donauwinkel betreten wir das
Gebiet der „Quellenverkettung" der Donau mit dem Rhein. Die Hoch¬
ebene senkt sich bis zum Bodensee hinab, diesem „schönsten Erdenfleck
des deutschen Vaterlandes". Von Lindau aus gesehen, scheint sich „quer
durch den See eine Rasenbrücke zu ziehen". Dort tritt der Rhein mit
trüber Flut in den See. Bei Gonstanz fliesst der junge Rhein schön grün
und klar (^geläutert von allem Geröll") heraus. Aber nun ändert sich
rasch der bequeme, ruhige Lauf. Es folgt „pressende Einengung und
harte Arbeit". Der Jura muss durchbrochen werden. Dadurch wird der
Rhein wieder zum wilden Bergwasser, das keine grösseren Fahrzeuge
leidet. Gleich unterhalb von Schaffhausen wird die Schiffahrt durch einen
Kalkfelsen gehemmt. Hier schon wird der Fluss ungeduldig und eilt
schäumend vorwärts.
*) Ausserdem leuchten in goldenen Buchstaben auf weissen Marmortafeln
die Namen von 64 andern grossen Männern deutscher Vergangenheit, deren Bild¬
nisse nicht vorhanden waren, von den Wänden herab.