Die Leiden Neubrandenburgs. 167
Trommelschlag verkünden, daß den Bürgern und königlichen Soldaten Quartier
zugesichert sein sollte, wenn sie hervorkämen zum Löschen. So wurde das
Feuer gedämpft. Tilly aber eilte iu sein Hauptquartier nach Stargard. Dem
vor seinem Abzüge erlassenen Befehle, vom ferneren Rauben und Morden ab-
zulassen, wurde nicht Folge geleistet; den^ Einwohnern wurden von den bei
ihnen eingelagerten Soldaten unsägliche Martern zugefügt, um sie zu zwingen,
anzugeben, wo sie ihr Geld und Gut versteckt hätten. Diese entsetzlichen
Peinigungen dauerten bis zum dritten Tage. Der General Kniphansen wurde
nach ritterlicher Gegenwehr am Friedlander Thor gefangen genommen, nackt
ausgezogen, auf den Markt geschleppt, ihm ein Laken umgehängt und er mit
seinem Sohn und seiner Frau nach Stargard gebracht, wo Tilly ihn in Ans-
wechseluug entließ. Fünfzig Soldaten, die ebenfalls nach Stargard gebracht
wurden, waren die allein Überlebenden von der Besatzung der erstürmten Stadt.
Der Bürgermeister Behme wurde in seinem Hanse nebst einem Ratsdiener
niedergestochen, nachdem er seinem Mörder für sein Leben eben 300 Gulden
gezahlt hatte. Von den Bürgern waren 164 erschlagen, die übrigen bis auf
etwa 50 mehr oder minder schwer verwundet. Die Verwundeten blieben nn-
verbunden liegen, weil auch die Feldscherer erschlagen waren.
Als die Tillyschen in die Stadt eindrangen, wurde in der Marienkirche
Gottesdienst gehalten und das Abendmahl verabreicht. Die Greuel, welche hier
von den eingedrungenen Soldaten verübt wurden, sind nicht zu beschreiben.
Am 20. März kam Tilly von Stargard her wieder nach Neubrandenburg und
ließ hier vier Wagen mit Kugeln, die er in die Stadt geschossen, beladen und
wegführen; ebenso nahm er auch alle vorhandenen Vorräte an Kraut, Lot und
Lunten mit fort. Dann mußten die Bürger ihre sämtlichen Spaten, Hacken
und Brechstangen herausgeben, und darauf wurden an demselben Tage alle
Werke um die Stadt geschleift und die Thore und Zingel niedergebrannt. Ein
paar schottische Unteroffiziere, die sich bis dahin versteckt gehalten und nun her-
vorkamen, wurden niedergestochen. Dann wurde auch das Stargardsche Bruch
abgesucht und die darin gefundenen königlichen Soldaten niedergemacht und
ausgezogen. Nach Tillys Abzüge von Stargard zogen die Schweden wieder
in die offen gelegte Stadt ein, wobei sie über hundert zurückgelassene kranke
und blessierte Soldaten niedermachten und einen Quartiermeister der Tillyschen
Armee, der sich bei seiner Dame in Liebe verspätet hatte, gefangen mit weg-
führten. — Auf eine fast unerklärliche Weise retteten die Neubrandenburger
damals ihre Glocken, die Tilly nach der Erstürmung für die Artillerie forderte.
Der Bürgermeister Krauthof nebst noch einem Ratsverwandten wurde an ihn
abgesandt, um wegen Abkanfs seiner Forderung mit ihm zu unterhandeln. Er
stellte seine Forderung auf 4000 Gulden und ließ fich herunterhandeln bis
auf — 200 Gulden. Diese mußten aber bezahlt werden und wurden der
Stadt von einer einfachen alten Frau in Stargard dargeliehen.
Die Leiden der Stadt hatten aber damit noch lange kein Ende, sie blieb
noch bis 1638 ein steter Zankapfel zwischen den Schweden und Kaiserlichen;
1637 floh die ganze Bürgerfchaft, während die Pest in der Stadt wütete, vor
den herannahenden Kaiserlichen unter Gallas, der damals Parchim überfiel und
nahe an 400 Wagen voll geraubten Geldes und Gutes von dort fortschleppte