Full text: Bilder aus den neuen Reichslanden und aus dem südwestlichen Deutschland (Bd. 3)

166 Straßburg, die Königin des Oberrheins. 
meistens mit dicken Schnnrrbärten, drangen diese „Apostel der Freiheit 
und Gleichheit" in alle Vereine und Gesellschaften und suchten die gemäßig- 
teren deutschen Jakobiner zu überschreien und durch Drohungen mundtodt 
zu machen, wofür sie täglich 15 Fraucs aus Staatskassen erhielten. Niemand 
war in seinem Hanse vor Angebern und Spähern sicher. Die Kirchen 
wurden geschlossen und das ehrwürdige Münster zu einem Tempel der 
Vernunft entweiht. Ja, der Wahnsinn der französischen Revolutiousmäuuer 
giug so weit, die mächtige Thurmpyramide abtrageu zu wollen, weniger, 
weil sie gegen das Gesetz der Gleichheit verstieß, als weil sie von deutscheu 
Häuden gebaut war und aus französischem Boden nicht ihresgleichen hatte. 
Als sich der Ausführung große Schwierigkeiten entgegenstellten, begnügte 
man sich, die Bildwerke an den Portalen verstümmeln zu lassen. 
Entrüstet über das ekle Treiben der Fremden in ihren Mauern, wandten 
sich die Straßburger Sektionen an den Nationalkonvent zu Paris mit der 
dringenden Bitte, demselben ein Ende zu machen. „Gesetzgeber!" hieß es 
am Schlüsse des Bitlschreibeus, „wir verbinden unsere Stimmen mit denen, 
welche am Ufer der Gironde und der Rhone erschallt sind; verbannt aus 
Eurer Mitte alle Uneinigkeit, gebietet Stillschweigen den Volksbühnen, denn 
sie drücken den Wnnsch des Volkes nicht aus!" — Das Schreiben traf 
gerade am Vorabend des Tages in Paris ein (31. Mai 1793), an welchem 
die Partei der Gironde im Konvent gestürzt wurde, und die jetzt ans 
Ruder kamen, waren gerade ihre erbittertsten Gegner. Abermals erschienen 
zwei Abgeordnete des Konvents, Saint-Jnst und Le Bas, in Straßburg, 
Meuscheu ohne Herz und Gewissen, denen die Guillotiue unter den Deutschen 
in Straßburg uoch uicht genug gearbeitet hatte und welche durch Massen- 
tödtnngen die Stimme der Gerechtigkeit schweigen zu macheu wähnten. 
„Wir wissen, daß in Eurer einzigen Stadt mehrere tausend verdächtige 
Personen sich befinden" — hieß es in ihrem ersten Erlaß an die städtischen 
Behörden — „eilet, sie auszuforschen; wir verlangen noch henle die Namen 
aller Verdächtigen!" — In allen Häusern wurden Nachsuchungen angestellt, 
die Offiziere der Nationalgarde abgesetzt, alle Beamten, die einen deutschen 
Namen führten, in Anklagestand versetzt; die Gefängnisse füllten sich und 
die Guillotine trat von Neuem in Thätigkeit. Die meisten der deutschen 
Jakobiner wurden nach Dijon in Haft gebracht. 
Eulogius Schneider befand sich zu der Zeit, als die Sendlings Robes- 
pierre's in Straßburg erschienen, auf einer sogenannten Justizfahrt mit der 
Guillotine durch das Laud. „Elf Köpfe fielen in zehn Tagen", berichtet 
er in seiner spätern Verteidigungsschrift darüber; die Furcht vor der 
Guillotine lieferte ihm bei diesem Schreckenszuge auch das Mädcheu — 
Sara Stamm aus Barr — in die Arme, das er zu seiner Gattin aus- 
erkoren hatte. Unter Vortragung der Revolutiousfahue. der ein Ehrengeleit 
reitender Nationalgarden mit gezogenem Säbel folgte, zog er darauf am 
24. Frimaire (15. Dez. 1792) im sechsspännigen Wagen mit seiner jungen 
Gattin in Straßburg ein. Aber schon in derselben Nacht ward er aus 
dem Schlafe gepocht und in Haft gebracht. Nicht die Überschreitung der
	        
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