Full text: Bilder aus den neuen Reichslanden und aus dem südwestlichen Deutschland (Bd. 3)

Kaisersagen und Mäusesagen. 211 
das dann Friedrich Barbarossa in eine kaiserliche Pfalz erweiterte. Hier 
waren unter ihm die Reichskleinodien aufbewahrt. Noch im 17. Jahr- 
hundert zeigte man den Gerichtsstuhl, darauf der Kaiser gesessen. 
Die Volkssage läßt den Kaiser, wie zu Trifels und Kaiserslautern, so 
mich in diese seine Lieblingspfalz lebendig verzückt sein. Nach einer andern 
Sage liege auf dem wiederholt genannten Ochsenfeld ein Stein, Bibelstein; 
darunter sitze der Kaiser, und wer das Ohr an den Stein halte, höre das 
Knistern des wachsenden Bartes. 
Die Kaiserpfalz Hagenau wurde von den französischen Mordbrennern 
1678 niedergebrannt und die Steine zum Bau von Fort Louis verwendet. 
Unter der welschen Herrschaft errichteten die Jesuiten ein Kollegium auf der 
Trümmerstätte des Hohenstaufenschlosses. 
Eine der merkwürdigsten mit der Kaisergeschichte zusammenhängenden 
Sagen überliefert Moscherosch in seinen Geschichten Philander's von Sitten- 
Wald über Schloß Geroldseck bei Zabern: „Da erzählt man von Jahren 
her viel Abenteuer vou diesem alten Schloß im Wasgau, nämlich, daß die 
uralten deutscheu Helden, die Könige Ariovistns, Ärminins, Witchindns der 
Hörnene Siegfried nnd viel Andere, in demselben Schlosse zu gewisser Zeit 
gesehen werden". „Diese sollen, wenn die Deutschen in den höchsten Nöthen 
und am Untergange sein werden, wieder da herauskommen und mit etlichen 
alten deutschen Völkern denselben zur Hülfe erscheine»." 
Auch vom alten Napoleon glaubte das Volk, wie weiland vom Kaiser 
Rothbart, er wäre uicht gestorben, sondern er werde mit den Mohren und 
Türken zurückkommen und die Welt erobern. 
Zu den merkwürdigsten, noch mit dem altgermanischen Heidenthum 
verknüpften Sagen gehört die vom Bischof Wiederhold und den Mäusen. 
Die Mänsesagen finden sich den Rhein hinab in Bingen, Köln, Osnabrück 
zerstreut und tauchen in gleicher Weise in Polen, Dänemark und England 
auf. Ihr Untergrund ist ein mythischer; sie hingen mit dem uralten indo- 
germanischen Glauben zusammen, daß die Seeleu der Abgestorbenen, die nach 
allverbreiteter Sage in Mausgestalt gedacht wurden, über den Todtenstrom 
setzen müssen. In der christlichen Zeit blieb die Vorstellung; aber an die 
Stelle der das Schiff leitenden Walküre trat die heilige Gertrud, deren 
Minne man in den Niederlanden aus einem Glase in Form eines Schiff- 
chens zur Erinnerung an das Todtenschiff trank. Bis zu Anfang des sech- 
zehnten Jahrhunderts war nach alten Chronikangaben im Münster zu Straßburg 
ein altes Bild, das den Bischof Wiederhold oder Wilderolf von Straßburg 
darstellte, wie er, das Haupt von Sonnenstrahlen umleuchtet, mit der hei- 
ligeu Gertrud in einem Schisse fuhr, das von Mäusen, den Thieren dieser 
Heiligen, umschwommeu wurde. Später hat mau diese Symbolik uicht mehr 
verstanden, und so wurden die Mäuse zu Werkzeugen der göttlichen Straf- 
gerechtigkeit, die irgend ein Bischof oder Ritter oder auch eine fürst- 
liche Frau wegen einer Gewalttätigkeit sich zugezogen hatte: sie verfolg- 
ten das schuldige Opfer uach allen Orten, bis es rettungslos ihrem Fräße 
cilag. Es wirkte dann bei der Anlehnung dieser Sageu au bestimmte 
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