290 Das Breisgau.
das Gesumme von Stimmen, der Anblick von Bauern mit hohen Stiefeln
und dreieckigem Hnte, von Soldaten, die in Urlaub gehen, von Mnsensöhnen,
die eine Studiofahrt am Rheiue unternehmen oder von einer Paukerei
heimkehren, die Geschästsreiseudeu mit Lederkossern uud Leinwandbüudeln!
Das Alles beweist, daß Freiburg uicht mehr die stille Universitätsstadt
von früher, sondern daß die erwachende Metropole am badischeu Ober-
rheiu, die Perle des Breisgaus, nicht nur die Göttin der Anmuth au sich
gekettet hat, sondern allmählich Mercur, deu Gott des Verkehrs, an ihre
Stätte zu fesseln versteht.
Gegenüber dem Bahnhofe nnd längs der Anlagen, die an Stelle der
Festuugslunetten das Stadtgebiet mit lieblichem Kranze umziehen, breitet
sich ein stolzes Gebäude aus: der Zähringer Hof, das erste Hotel von Frei-
bürg, das manchen Amerikaner nnd Engländer in seinen schönen Räumen
sieht. Nach kurzer Rast gelungen wir durch die Eisenbahnstraße, in der zur
Rechten durch das neue, elegante Postgebäude dem Bedürfnis; nach Verkehr
neue Hallen emporgerichtet wurden, in welcher manch niedliche Villa dem reichen
Rentier ein frohes Tusculum gewährt, zum Rotteckplatze. Hier am Platze,
wo dem Gründer des deutschen Liberalismus, dem Staatsrechtkeuuer und
populären Historiker, der ehemaligen Zierde der nahen Universität, ein ein-
faches Denkmal, der Nachwelt zur Erinnerung, gesetzt wurde, scheidet
sich der Kranz der Neubauten von den Gassen und Plätzen der alten
Stadt, die Jahrhunderte lang von Wall uud Graben in Schranken ge-
halten wurde. Durch die Jesuitengasse, dem Orden zu Ehren genannt, der
zur Zeit der österreichischen Herrschaft auch hier Unterricht uud Bildung
dem deutschen Wesen zum Nachtheil gepachtet zu habeu schien, führt uns
der Weg an den langen Bau des neuen Universitätsgebäudes. Die Hoch-
schule für das Breisgan wurde als die elfte im Reiche 1457 von Albrecht IV.,
Erzherzog von Oesterreich, ins Leben gerufen; zur guteu Zeit entstand sie,
als unter dem Einflüsse des Falles des griechischen Kaiserthums die Männer
der Wissenschaften von Osten nach Westen wanderten nnd die am Rhein
erfundene und Zuerst angewendete Buchdrnckerknnst das regste geistige
Leben zu verbreiten begann. Der Ruhm der Albertina nahm bald so zu,
daß Fürsten nnd Grafen, Domherren und Geistliche von allen Seiten hier
zusammenströmten. Die glänzendsten Vertreter wies von jeher die theo-
logische Fakultät auf. Da lehrten Johann Geiler von Kaisersberg, der
Schleiermacher seiner Zeit, Matthäus Zell, der erste Reformator der Kirche
zu Straßburg, dann Jakob Sturm von Sturmeck, der Meister später im
Rathe zu Straßburg, uud Wolfgaug Kapito [Kipfel} von Hagenau, sowie
der Abraham a Santa Clara des 15. Jahrhunderts: Thomas Murner.
Doch bald hemmte die österreichische Regierung den Fortschritt der Hoch-
schule; Scholastik und Dialektik nahmen in der Theologie uud Philosophie
überhand; statt der Rheinländer, freien Geistes, erhielten die bedächtigen
Schwaben, die Männer derRückwärtserei, die Ueberhand. Anno 1620 ward
die Gesellschaft Jesu eingeführt, nahm die Lehrstühle in Beschlag bis
1773; das war der Tod der Lehrfreiheit und der Reformationsideen.