Full text: Bilder aus den Landschaften des Mittelrheins (Bd. 4)

308 Deutsches Leben im Mittelalter am Rhein. 
An Stelle des römischen Mogontiacum war Schutt und Moder getreten. 
Doch hier, wo das Rheinbecken endet, wo die Vereinigung des Mains mit 
dem Rhein die Schiffahrt stets anlocken mußte, wo ein natürlicher Stapelplatz 
sich befand, wo die Mainstraßen sich kreuzten mit der Rheinachse, entstand in 
Merovingerzeit, näher am Strome im Schutze der St. Johanneskirche, ein 
neuer Ort, das fränkische Mainz. Die Natur der Gegend hat die Ansiedlung 
zu einer Festung bestimmt. Bald umschlossen Mauern die königliche Pfalz, die 
Kirchen und Kapellen, die Gehöfte des fränkischen Adels, die vielen Hütten der 
Leibeigenen. Des Königs Aufenthalt und das Ansehen des zahlreichen Klerus, 
in dessen Mitte der Primas von Deutschland die Provincia Mogontiana mit 
dem Pallium lenkte, gab der Stadt ein vornehmes Gepräge. Hier im An- 
gesichte der Herrschergewalt des Kirchensürsten des heiligen römischen Reiches 
deutscher Nation entwickelte sich zwar eine zahlreiche Kanfmannsgilde, die mit 
dem Stapelrecht den Mainhandel beherrschte, allein weit später als anderswo 
der Hauch kommunaler und sozialer Freiheit. 
Erst nach Speyer ward es vom Budtheil befreit, und die Verleihung des 
Bischofs Adalbert gab der Bevölkerung, die Mitte des zwölften Jahrhunderts noch 
ungemischt aus Stadtadel, Gottesleuten und niederem Volke bestand, nur unvoll- 
kommene Freiheit. Häufige Aufstände der Mainzer gegen der Bischöfe Druck, 
von denen Arnold die Bürger „Hunde, diezwar bellen, aber nicht beißen konnten", 
nannte, zeugen von dem unnatürlichen Verhältnis in dem die Stadt gebannt lag. 
Die Folge des Druckes der Priesterherrschast und der starken Besatzungen war die 
Schwächung des bürgerlichen Freiheitstriebes. Der Geist der Mainzer Kaufleute 
ward minder energisch als der der Frankfurter. Mainz ward Bischofsstadt und Sol- 
datenlager, Frankfurt das Emporium des Handels und der Sitz des Bürgerstolzes. 
Am Niederrhein hatte, wie schon oben erwähnt, kein Ort die Verheerungen 
der Völkerwanderungen so kräftig überdauert, wie die natürliche Metropole des 
Niederrheins, „das heilige Köln". Seit den Merovingerzeiten war dieser 
Platz eine feste Stadt und eine Königsburg. Die Wittwe Pipin's von Heristal 
barg hier ihre Schätze. Nach dem Aufstande gegen den herrschsüchtigen Erz- 
bischos Anno und dessen blutigem Siege erschien die volkreichste und nach Mainz 
erste Stadt des Reiches zu Ende des 11. Jahrhunderts wie verödet; das Schweigen 
des Schreckens hauste dort, wo früher Lebenslust und Genuß herrschten. 
Unter den Saliern erhielt sie wieder eine selbständige Stellung und befolgte seit 
Anfang des 12. Jahrhunderts eine eigene Politik, die sich gegen Zwingherrschaft 
von Seiten der weltlichen und kirchlichen Herren kehrte. Anfang des 14. Jahr- 
Hunderts war der Streit zwischen Erzbischof und Stadtgemeinde zu Gunsten der 
Autonomie letzterer beigelegt. Kaiser Albrecht entschied den Kampf. >. 
Während dieser durch Kampf ausgefüllten Periode und beruhend einerseits 
auf der domiuirenden Lage der Stadt, andererseits aus dem Freiheitssinne ihrer 
Bürger, hatte sich die Handelsthätigkeit Kölns entfaltet, der an Ausdehnung 
bis in das 16. Jahrhundert, bis zur Entdeckung Amerika's, dem Aufblühen 
der holländischen und englischen Städte und anderen Umständen kein anderer 
Verkehrskreis in Mitteleuropa gewachsen war. 
Von der Natur zum Marktplatze für die Waaren des Niederrheines, fürWolle, 
Tuch, Metallindustrie und die Produkte des Landes, für Getreide, Fische, Käse 
u. s. w. bestimmt, wußte die Stadt bald durch das umfassende und nnnachsichtlich
	        
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