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VI. Abschnitt. Aus Heimat und Vaterland
kamen, die als bahnbrechende Versuche gelten konnten. Die Ameri¬
kaner Symington und Fulton ließen in Amerika und Frankreich
Dampfschiffe vom Stapel, und letzterer hat das Verdienst, mit einer
stärkeren Maschine später das erste wirklich dauernd betriebsfähige
Dampfschiff erbaut zu haben. Am 17. August 1807 unternahm Ro¬
bert Fulton mit ihm seine erste größere Probefahrt, und diesen Tag
kann man als den Geburtstag der Dampfschiffahrt ansehen. Der
Dampfschiffbau nahm nun in Amerika einen schnellen Anfschwlmg.
Nach wenigen Jahren schon befuhren Dampfboote alle größeren
Flüsse der Vereinigten Staaten, und 1818 durchfuhr die „Savan-
nah".als erster Dampfer in 26 Tagen den Ozean.
2. Auch in Europa, und zwar in England, hatte man indessen
den Bau von Dampfschiffen aufgenommen. Aber obschon der erste
englische Flußdampfer schon 1812 entstand, besaß dieses Land dock
1820 erst 43 kleine Schlepp- und Personendampfer, alle mit Schau¬
felrädern bewegt. Der Österreicher Joseph Ressel erfand 1829 die
Schiffsschraube, dis durch beit Engländer Smith vervollkommnet
wurde und dann auch bald zum Bau eines größeren Schrauben¬
dampfers führte. Als man Rad und Schraube in der Flußschiff¬
fahrt genügend erprobt hatte, entwickelte sich auch die Seedampf¬
schiffahrt. Besonders in England erreichte der Schiffbau bald eine
ungeahnte Höhe. 1838 machte der „Great Western" seine erste
Fahrt von Liverpool nach Boston bereits in 14 Tagen. Als kurz
vorher bei der Strandung eines großen englischen Schiffes sich das
Eisen als besonders dauerhaft erwies, gelangte in England der Plan
zur Reife, ein riesiges eisernes Schiff zu bauen. So entstand der
Raddampfer „Great Eastern" von 207 m Länge. Er kam 1860 mit
einer Schnelligkeit von 14^2 Knotenl) in der Stunde in elf Tagen
nach Amerika hinüber. Das große Schiff erwies sich aber als un¬
rentabel. Später fand es noch einmal beim Legen des transatlanti¬
schen Kabels Verwendung und wurde endlich auf Abbruch verkauft.
Seine Herstellung war jedoch von großer Bedeutung gewesen: der
Eisenbau war eingeführt worden, und die Schiffbauer hatten bei
dem Bau so unendlich viel gelernt, daß von jetzt ab eine neue Zeit
der Entwickelung im Schiffbau begann, obschon man sich damit be¬
gnügte, fortan kleinere Schiffe zu bauen. Man vervollkommnete
die gesamte Konstruktion, gab ihr größere Festigkeit und baute das
Schiff zweckentsprechender aus; besonderen Wert legte man auf stär¬
kere und leistungsfähigere Maschinen. Der deutsche Schiffbau ging
erst später zum Eisenbau über. Das erste eiserne Schiff deutscher
Bauart war zwar schon 1845 auf der Langeschen Werft in Grohn-
Vegesack hergestellt worden; doch dauerte es bis 1856. ehe ein zweiter
Versuch in dieser Richtung auf einer Hamburger Schiffswerft ge¬
macht wurde. Noch aber fehlte den deutschen Schiffsreedern das Ver¬
trauen zu der einheimischen Industrie, und so kam es, daß größere
und bessere Schiffe fast alle aus England bezogen wurden.
1) Ein Knoten (Seemeile) — 1855,96 m, also rund 1/i deutsche Meile.