44 Die Wesergegenden von Münden bis zur Porta.
Ein ganz besonderer Lieblingsaufenthalt für die Nachtigallen aber, „eine wahre
Nachtigallenkolonie", ist an der Nordseite der Stadt der Renschenberg, ein Lustort,
auf dessen Plateau oft in lauen Sommernächten die Lampen funkeln, fo daß
er vom Thale aus einem „Elfenhügel" gleicht. Man sieht ihn dann umzuckt
von tausend Flänimchen, die fich nach einem Punkte zusammendrängen, wo man
das lustige Geistervolk, die tanzende schöne und unschöne beau monde, feine
leichten Sprünge machen ficht nach dem Takte einer Musik, von der nur einzelne
Akkorde wie träumend zu uns herüberschweben. Der Anblick ist magisch: „weiße
Elfen, sich mit dunklen Gnomen drehend, unter des gebräunten Pilzes Dach".
Der Pilz ist das Zelt, uuter dem man Erfrischungen reicht und das wirklich der
Champignon heißt. Wer dagegen oben am Berge aus dem grellen Lampenlichte
zu einem dämmerigen Vorsprunge flüchtet, erhält ebenfalls einen seltsam ge-
spenstifchen Eindruck von dem entschlafenen Städtchen Höxter mit seinen Dächern
und Turmspitzen, die in lichtblauen Duft gehüllt daliegen, während der Spiegel
des Stroms unter dem blaffen Scheine des Mondes zittert, gleich einem bleichen
Vorgeschichtenseher, den der Mondschein quält und ängstet. Einzelne verspätete
Boote gleiten sacht wie dunkle Särge über die Fläche des Flusses hin, mehr be-
zeichnet als erhellt durch die matte Laterne vor dem Steuer, deren dunstiger Wieder-
schein nebenher schwimmt wie ein phosphoreszierendes huschendes Totenlicht."
Höxter, früher das königliche Kammergut Huxori oder Huxeli, ward von
den Äbten Corveys (1058) gegründet und war wegen seiner Bedeutung für
den Handelsweg von Antwerpen und Brügge über Köln und Soest nach Braun-
schweig ein wichtiges Glied der Hansa.
Im 13. Jahrhundert nahm Höxter das Dortmunder Stadtrecht an, welches
der Selbstbestimmung der Gemeinde zu Grunde gelegt ward. Wir heben der
Kuriosität halber daraus zwei Bestimmungen hervor: „wenn zwei Weiber mit
einander streiten, sich angreifen oder mit „verkorenen" Worten schelten, fo sollen
sie zwei Steine, welche durch eine Kette aneinander hängen und zusammen
„eynen Cynteneren" wiegen, auf dem gemeinen Wege durch die Läuge der Stadt
tragen. Die Eine soll sie zuerst tragen, vom östlichen Thore nach dem West-
lichen und die Andere mit einem eisernen Stachel, welcher an einem Stock be-
festigt ist, sie treiben, wobei beide „in camisiis suis" gehen müssen. Alsdann
soll die Andere die Steine auf ihre Schultern aufnehmen und sie zum östlichen
Thore zurücktragen, die Erste aber sie hinwieder mit dem Stachel treiben. —
Ferner: wenn ein Bürger den andern bedroht, schlägt, festhält, angreift „mit
besten. muode", fervido aninio, so hat er sechs Ohmen Wein, welche auf Deutsch
ein Fuder Weius genannt werden, der Obrigkeit zu erlegen." Ob er dabei
mittrinken durfte, davon fagt die Bestimmung nichts. .
Aber was der Stadt auf der einen Seite zur Blüte gereichte, nämlich ihre
vorteilhafte Lage für den Handel und seine Brücke über die Weser, das gereichte
ihr andererseits in Kriegszeiten zum Unheil. So ward sie nicht nur in den
französischen Hugenottenkriegen zum Werbeplatz für deutsche Landsknechte be-
nutzt, sondern auch namentlich im Dreißigjährigen Kriege wiederholt und nach
wechselnden Schlachterfolgen erobert und gebrandschatzt. Zuerst suchte sie der tolle
Christian von Braunschweig heim, dann Tilly, hintereinander die Dänen, Schwe-
den, Hessen und die Kaiserlichen, so daß zuletzt nur 30 Bürger übrig waren.
Endlich war Höxter 1673.Hauptquartier des französischen Befehlshabers Tnrenne.