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medaners, diesen Stein zu küssen, von dem die Sage geht, er sei durch Engel vom
Himmel gebracht und Abraham übergeben worden. Für den Nichtmuhamedaner ist
die Annäherung'an die Kaaba sicherer Tod. Dennoch sind europäische Reisende, als Pilger
verkleidet, bis in die Kaaba gelangt und ihre Berichte machen es unzweifelhaft, daß
der schwarze Mein ein Meteorstein ist. Die Zahl der Pilger, welche zu bestinunten
Zeiten jährlich Mekka besuchen, und deren Karawanen, als geheiligt, vollkommene Sicher¬
heit genießen, wird auf mehrere Hunderttausend geschätzt. Aus dem Zusammenflüsse
der Pilgermassen ist nach und nach eine der bedeutendsten Handelsmessen des Orients
entstanden, und die Bevölkerung Mekkas lebt größtentheils vom Handel mit den Pil¬
gern. Die Waaren werden von dem benachbarten Hafen Dschidda bezogen.
Medina, in fruchtbarer, wasserreicher Gegend gelegen und von Mauern umgeben,
ist eine freundliche, stille Stadt. Die Hauptmoschee enthält die allnächtlich von zahlreichen
Lampen erhellte Grabstätte Muhamed's, in welcher der Prophet in einem silberbelegten
Sarge ruht.
Die centralen Theile Arabiens scheinen meist von Wüsten bedeckt zu sein,
und nur auf den Terrassen entwickelt sich bei hinreichender Bewässerung Vege¬
tation und Leben. In diesen Regionen gedeihen an der südlichen Küste des
rothen Meeres, im „glücklichen Arabien", der Landschaft Jemen, die herrlichsten
Gewürze; dort ist das Vaterland des Weihrauchs wie der Myrrhen und dort wächst
der beste Kaffee. Der ganze Küstenstrich längs des rothen Meeres steht unter
türkischer Oberherrschäst.
An der 8-Küste Arabiens liegt die von England besetzte Felsenfeste Aden,
mit gutem Hafen, aber öder, glühend heißer Umgebung und einer der ungesunde¬
sten Orte der Erde. Ebenso ungesund für den Europäer ist die ganze 0-Küste
Arabiens. Dort bildet das Sultanat Oman einen unabhängigen Staat, mit
der bedeutenden Hafenstadt Maskat.
Die Sinai-Halbinsel trägt entschieden afrikanischen Charakter und steht
auch unter ägyptischer Herrschaft. Das wildzerklüftete Kalkfelsplatean ist fast
völlig vegetationslos und menschenleer; nur eine sehr kleine Zahl von Beduinen
bewohnt die öden Flächen. Aber an die nackten Felsmassen des gewaltigen Sinai-
Gebirges knüpfen sich zugleich die religiösen Erinnerungen der Christen und Juden
wie der Muhamedaner.
Seit den frühesten Zeiten des Christenthums bildeten die einsamen, öden Thäler
des Sinai einen bevorzugten Aufenthaltsort der Einsiedler. Schon in den ersten Jahr¬
hunderten bedeckten sich dort die Abhänge der Felsen mit Klöstern. Gegenwärtig be¬
steht nur noch das uralte, vom Kaiser Justinian (im Jahre 668) mit starken Mauern
umgebene Katharinenkloster und Hospiz auf dem Dschebel Musa. Dasselbe umfaßt
neben einer christlichen Kirche und zahlreichen Kapellen auch eine Moschee. Die Beför¬
derung der Pilger nach dem Kloster bildet einen Haupterwerbszweig der Beduinen der
Halbinsel.