Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. 161
Gewiß ist dies ein herrliches Stückchen Land, und wir können uns nur
dem Wunsche des Dichters anschließen und ausrufen: „Schirm dich Gott, du
schöner Wald!"
Bie Deutsche Gesellschaft )ur Rettung Schiffbrüchiger. In dem Augen-
blicke, wo wir die Küste des Festlandes verlassen, um uusre Aufmerksamkeit den
Inseln der tückischen Nordsee zuzuwenden, müssen wir noch einer Institution
gedenken, die, auf Nächstenliebe gegründet, zu den schönsten Errungenschaften der
Neuzeit gehört. Es ist dies die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Hinter sich die feindliche See — vor sich ein feindliches Land — das
war vor Zeiten die verzweifelte Lage des fremden Schiffers, der auf unter-
sinkendem oder geborstenem Fahrzeuge nach Rettung ausschaute. Entrann er
auch den Wogen, so verfiel doch seine ganze Habe dem Strandraub, er selbst
der Leibeigenschaft, aus der er sich nur durch schweres Lösegeld befreien konnte
— Zustände, die wir zum Teil noch im 14. Jahrhundert vorfinden und die
erst nach wiederholten Kämpfen der Hansestädte mit den Küstenbewohnern ihr
Ende fanden. Liegt auch diese Zeit in weiter Ferne hinter uns, so doch nicht
diejenige, wo die Leute am Strande ihren Herrgott baten, wenn er einmal
Schiffe stranden lasse, dabei doch möglichst ihren Strand zu berücksichtigen.
Welch ein Kontrast zwischen damals und jetzt! In unserm Jahrhundert
hat man sich an der deutschen Küste die Aufgabe gestellt, im hartnäckigsten
Kampfe mit dem Meere ihm möglichst viele der Opfer zu entreißen, welche dem
gierigen Elemente sonst rettungslos verfallen wären. Muß diese Errungenschaft
an sich unser aller Teilnahme schon lebhaft bewegen, so wird dieselbe unserm
Denken und Fühlen um so näher gerückt, wenn man in Betracht zieht, daß sie
hervorgegangen ist aus dem freien Entschlüsse eines thatkräftigen Bürgertums
— daß sie getragen wird von dem einmütigen Beifalle der ganzen Nation.
Die Idee einer Organisation der Rettung Schiffbrüchiger gehört übrigens
ebenso wie die ersten Ansänge ihrer Ausführung bereits dem vorigen Jahr-
hundert an, und ihre Geburtsställe ist nicht Deutschland, wie selbständig auch
die deutsche Gesellschaft sich organisiert hat, sondern England. Die Idee des
Unternehmens darf bald ihr hundertjähriges Geburtsfest feiern, indem im
Jahre 1789 in Shields in England die erste Association dieser Art ins Leben
gerufen wurde.
Auf Selbsthilfe gegründet, von der Bevölkerung der Küstenstädte getragen,
breitete sich das Unternehmen bald an der englischen Küste aus, mußte aber,
da jeder Ort lediglich für sein Gebiet Sorge trug, im Verhältnis zur Gesamt-
küste große Ungleichheiten zeigen, indem manchmal lange Strecken unbeschützt
blieben. Diese Nachteile wiesen unmittelbar aus die Notwendigkeit einer ein-
heitlichen Leitung hin, welche denn auch einige dreißig Jahre später ins Leben
trat, jedoch infolge mangelhafter Organisation des Ganzen nicht recht zur
Wirkung kam, bis endlich nach weiteren zwanzig Jahren unter allgemeiner
Beteiligung der Nation und unter dem Protektorat der Königin die „Royal
Nation Lifeboat Institution" begründet wurde, welche noch heute ihrer fegens-
reichen Thätigkeit obliegt. Die Erfahrungen und Lehren dieser hier kurz an-
gedeuteten Entwicklungsgeschichte der englischen Organisation sind für die
Deutsches Land und Volk. X 11