Eine Wanderung durch Braunschweigs Baudenkmäler und Anlagen. 337
An dem nördlichen Seitenflügel breitet sich der Schloßpark mit seinen
freundlichen Anlagen aus. An der Ostseite desselben liegt eine schöne 450 Schritt
lange Kastanienallee, vor dem Palais eine große Fontäne und im nördlichen
Teile das im jonischen Stile erbaute Gewächshaus. Die freien Plätze sind im
Sommer mit Orangenbäumen besetzt. Auf dem vor der Hauptfassade des Schlosses
befindlichen Platze aber erheben sich die aus freiwilligen Beiträgen und den
Finanzüberschüssen des Landes errichteten Reiterstatuen der Herzöge Karl
Wilhelm Ferdinand und Friedrich Wilhelm, beide am 10. November 1874
feierlich enthüllt. Erstere — vor dem nördlichen Flügel — ist vom Bildhauer
Franz Pönninger in Wien, letztere — vor dem südlichen Flügel — vom Pro¬
fessor E. Hähnel in Dresden modelliert, beide aber sind vom Professor Howaldt
unter Beihilfe seines Sohnes in Kupfer getrieben. Jedes Standbild ruht auf
einem Postamente aus grauem schleichen Marmor. Herzog Karl Wilhelm
Ferdinand ist in fürstlicher Gewandung, den Ordensstern auf der Brust, dar-
gestellt; das Haupt bedeckt ein Dreimaster, die Rechte hält den Marschallsstab;
Herzog Friedrich Wilhelm trägt die mit Schnüren besetzte schwarze Uniform
und die historische Feldmütze; die Rechte umfaßt das gezückte Schwert. Beide
Helden treten uns so entgegen, als wollten sie abermals ihre braven Truppen
dem alten Erbfeinde entgegenführen. Die Haltung der Rosse unterstützt vor-
trefflich die Wirkung des Ganzen. Die Gesamthöhe beider Standbilder beträgt
etwas über 4,g m.
Unweit des Schlosses, in dem ehemaligen Kloster St. Paul befindet sich das
herzogliche Museum und das Zeughaus. Ersteres, von Herzog Karl I.
nach dem Plane des Geheimrats de Superville im Jahre 1753 aus den in
den herzoglichen Schlössern u. s. w. zerstreuten Altertümern, Kunstsachen und
Naturalien gegründet und im Jahre 1760 durch Einverleibung der im Lust-
schlösse zu Salzdahlum aufgestellte Majolikasammlung der neuen Kunstkammer
besonders bereichert, hatte leider unter der Franzosenherrschaft viel zu leiden,
da ein großer Teil der schönsten Gemälde und sonstiger Sachen nach Paris
gebracht und nur ein geringer Bruchteil davon 1814 wieder zurückgeliefert
wurde. Doch enthält diese Sammlung noch mancherlei vorzügliche Schätze.
Eine besondere Aufmerksamkeit verdient die Majolikasammlung, welche Herzog
Ulrich in Italien erworben haben soll. Dieselbe, die reichhaltigste und neben
der Berliner die interessanteste Deutschlands, umfaßt 1075 Nummern. Besonders
zahlreich und gut sind die Fabriken von Faenza und Urbino vertreten, mehrere
hervorragende Stücke stammen aus Pesaro und Venedig. Unter den kunstvollen
Uhren befindet sich ein Cylinder, der auf einer schiefen Ebene läuft, ein Werk
Hobrechts, des Meisters der Uhr im Straßburger Münster. Beachtenswert ist
auch ein elfenbeinernes Kruzifix von Giovanni da Bologna mit in Silber ge-
triebenen Reliefs von Benvenuto Cellini.
Die größten Kostbarkeiten aber enthält der 1875 eingerichtete neue Schrank,
und unter ihnen nimmt wieder der berühmte Onyx, das sogenannte Mantua-
nische Gefäß, den ersten Rang ein. Dieses Gesäß, eins der ausgezeichnetsten
Denkmäler des griechischen Altertums, bildet einen länglichen, eiförmigen Körper,
auf einem Vasenfuße von Erz mit vergoldeter Inschrift ruhend. Der Körper,
15,6 cm hoch und 6,5 cm im größten Durchmesser haltend, besteht aus einer
einzigen Onyxiere, deren verschiedenfarbige Lagen der Künstler dazu benutzt hat,
Deutsches Land und Volk. X. 22