152 
Das deutsche Wohnhaus der Renaissance. 
erhalten hat. Eine breite Durchfahrt führt von der Straße her durch die 
Mitte des Erdgeschosses zum geräumigen Hofe, der auf der Rückseite von Hinter- 
flügeln begrenzt ist. Die Treppe, meist als eindrucksvoller Steinbau gestaltet, 
führt seitwärts von dieser Durchfahrt ins Obergeschoß, wo sie auf einen großen 
Vorsaal ausmündet. Dieser Saal, der die ganze Tiefe des Hauses einnimmt 
und sein Licht sowohl von der Straßen- als auch von der Hofseite her empfängt, 
erinnert an die Anlage der venetianischen Paläste und vertritt in gewissem 
Sinne die Stelle der norddeutschen Diele, insofern auch er den Schauplatz für 
den Tagesverkehr der Bewohner und den Mittelraum für die auf ihn mündenden 
seitwärts gelegenen Stuben bildet. Auch die Hinterflügel empfangen jetzt 
als Wohnraum eine erhöhte Bedeutung, der eine reichere, oft höchst malerische 
Ausbildung mit offenen Galerien, Treppenturm u. ä. entspricht. 
Was nun die äußere Fassade betrifft, so beherrscht im 16. Jahrhundert 
noch der Holzbau den größten Teil des deutschen Gebietes. In den nord- 
deutschen Städten, vielleicht mit einziger Ausnahme von Danzig, fast allein- 
herrschend, reicht er durch Mitteldeutschland, ohne durch örtlichen Reichtum an 
gutem Steinmaterial beeinflußt zu fein, bis nach Württemberg und Bayern 
hinein. Einige niedersächsische Städte, wie Lüneburg, Emden u. a., haben schon 
den Backsteinbau für das Wohnhaus in Anwendung gebracht, der anderwärts, 
wie in Hamburg und Hannover, nur für Kirchen und Rathäuser in Gebrauch 
war. Aber auch da, wo die Fassaden ganz oder teilweise aus Stein hergestellt 
waren, vermochte man sich dem Einfluß des Holzbaues mit seinen eng gestellten 
Pfosten nicht zu entziehen; nirgends wurde versucht die große weitachsige Anlage 
des italienischen Palastes nachzuahmen. Allerdings würde sich einem solchen 
Versuche in den meisten Fällen auch die Schmalheit der Häuserfronten entgegen- 
gestellt haben. Im allgemeinen sucht die nordische Renaissance den Mangel an 
Größe der Anlage durch Reichtum und Zierlichkeit des Details auszu- 
gleichen. Dieses findet besonders an den Fensterbrüstungen, den Portalen und 
den Verzierungen des hohen Giebelaufbaues ein reiches Feld der Betätigung. 
Die Haustüre entbehrt selten einer architektonischen Umrahmung, die sich 
manchmal noch zu einem ornamentalen Giebelmotiv von stattlicher Höhe aufbaut. 
Wappen, Sinnbilder und figürliche Allegorien finden hier reichliche Verwendung. 
Auch im hohen Hausgiebel, der in drei bis vier Geschossen von Säulen¬ 
stellungen gegliedert zu sein pflegt, kann sich die Einbildungskraft des Baumeisters 
volle Freiheit gestatten in den Voluten und Ornamenten, welche die Giebellinie 
in lustigem Linienfpiel emporwachsen lassen. Im ganzen darf nicht verkannt 
werden, daß die deutsche Renaissance, wenn ihr auch der große Zug ihres 
italienischen Vorbildes versagt blieb, die Wohnungsfassade doch zu einem 
geschlossenen Kunstwerke zu gestalten gewußt hat.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.