Full text: Bilder aus der Mark Brandenburg, vornehmlich der Reichshauptstadt (Bd. 9)

Im Grunewald. 183 
Denn einem braunen, wehrhaften Borstenträger gilt es heute. Es ist ein 
Keiler von fünf Jahren, mehrere hundert Pfuud schwer, also ein Hauptschwein 
oder hauendes Schwein. Gestern lag der Grimmige noch in der sinstern Sau- 
bucht nahe dem unheimlichen Teufelssee inmitten der Forst. Für heute hat 
man ihn nach einem starken Bohlenverschlag nahe dem Jagdschloß Grnne- 
Wald getrieben, von wo aus er alsbald losgelassen werden soll. Mißmuthig 
grunzend, als ahnte er Böses, schlägt er mit seinem Achtung einflößenden Ge- 
werft auf den Boden, wo dieser hart ist, oder wühlt mit dem Gebrech, wo er 
sumpfig ist, während seine kleinen Augen tückisch umherblinzeln. 
Das alte Jagdschloß ist reich an geschichtlichen Erinnerungen. Es soll an 
der Stelle errichtet worden sein, auf welcher einst Kurfürst Joachim II. zwei 
kämpfende Rothhirsche erblickte, lieber der Hauspforte des altersgrauen Ge- 
bäudes ist zu lesen: „Nach Christi Geburt 1542. unter Regierung des Kaiser- 
thums Carl's V. hat der durchlauchtigste Hochgeboreue Fürst und Herr Joachim II., 
Markgraf zu Brandenburg, des heiligen Römischen Reiches Oberfeldhauptmann, 
dies Haus zu bauen angefangen, und den 7.März den ersten Stein gelegt und 
zum grünen Wald genannt." An der Treppe finden wir ein buntbemaltes 
Sandsteinrelief, darauf links der Kurfürst, inmitten der Erbauer des Schloffes, 
der wohlbeleibte Kafpar Theyß, den wir schon vom Berliner Schloßbau her 
kennen, mit einem mächtigen Humpen (Willkommen), der die Aufschrift trägt 
„Caspar TlDß es gilt", rechts der Kellermeister Kunz Bnntschng mit einem 
kleineren Gefäß, darunter die Verse: 
„Caspar Theyß, was soll die kleine Flasch'! 
Die Conz Buntschug hat in der Tasch'? 
Dieser Willkomm' muß zuvor heraus, 
Sonst wird ein solcher Lärmen d'raus." 
So pflegte der joviale Herr zu scherzen. Bei der Jagd begleitete ihn hier 
Anna Sydow, die „schöne Gießerin". Nach einer ganz unverbürgten Sage soll 
die Geliebte Joachims von der Treppe des Jagdschlosses später auf Befehl des 
Kurfürsten Johann Georg herabgestoßen worden sein. Einen Anhalt zur 
Mythenbildung hat dabei eine schmale Wendeltreppe gegeben, welche von der 
Seite des Grunewaldsees heraufführt und derartig vermauert ist, daß sie erst 
im zweiten Stockwerke wieder zu Tage tritt. Nach einer andern Deutung hätte 
dies Schicksal nicht die spätere „weiße Frau", sondern eine Hofdame betroffen, 
welche auf Geheiß der eifersüchtigen Kurfürstin ihren Tod gefunden. Hinter 
dem Schloß breitet sich träumerisch still, von Schilf umwoben, ein ansehnlicher 
See aus; er ist dem Schloß abhold uud nagt an dessen Terrasse, die nur durch 
Pfahlwerke vor dem Absturz geschützt werden kann. 
Wir müssen uns bald von der schönen Landschaft losreißen, denn schon 
schlägt das ungeduldige „Giff" und „Gaff" der wilden Meute an unser Ohr. 
Froher Hörnerklang, der Fürstenruf der Piqueure verkündet uns ebeu die An- 
fünft eines Jägers vor dem Herrn, wie Nimrod: es ist Prinz Karl von Preußen, 
der Bruder des greisen deutschen Kaisers. Nachdem die Parforcejagden auf 
den Edelhirsch mit dem Tode Friedrich Wilhelm's I. glücklicherweise einge- 
gangen waren, rief sie Prinz Karl auf Sauen un Jahre 1828 wieder ins 
Leben. Bei der ersten Jagd nahmen der damalige Kronprinz, die Prinzen Karl 
und August Theil. — Jetzt wird die Bucht geöffnet und mit unwilligem Grunzen
	        
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