Full text: Bilder aus der Mark Brandenburg, vornehmlich der Reichshauptstadt (Bd. 9)

184 Die Umgebungen der Hauptstadt. 
stürmt die grobe Sau ins Freie. Der Oberförster und zwei Jagdjunker in 
ihren kleidsamen grünen Uniformen folgen der Fährte eine Weile. Dann machen 
sie Halt. Nun fetzt sich der Jagdzug in Bewegung, vorauf vier Piqueure mit 
den buntgefleckten Hunden, dann eine Abtheilung grüner Feldjäger, die fürst- 
lichen Herrschaften, darunter zwei Damen in stattlicher Amazonentracht, hierauf 
die Schar der Rothröcke. Da, wo der Eber den Weg gekreuzt, lassen die 
Piqueure ihre lang gehaltenen Fanfaren aus den gewaltigen Hifthörnern er- 
tönen, die Hunde springen heulend in die Höhe — ein scharf gezogener Peitschen¬ 
knall — und fort stürmt die Meute, daneben traben barfüßig die von Kops bis 
zu Fuß roth gekleideten Treiber. 
Es ist ein prächtiger Tag, das Buchenlaub raschelt bereits am Boden, die 
härtere Eiche hält ihre lohfarbenen Blätter noch fest; dunkel leuchtet dazwischen 
das Nadelkleid der märkischen Kiefer, und die Sonne wirft vom klaren Herbst- 
Himmel röthliche Streiflichter auf die Heide: ein herrlicher Anblick für den 
Naturfreund. Der Keiler macht der Meute zu schaffen, indem er, Deckung 
suchend, durch den dicksten Tann uud durch Gestrüpp, grimmig schnaufend, stürzt. 
Hier im Dickicht brechen zum Unglück drei Rehe aus, und ungefähr 15 Koppeln 
Hnnde jagen alsbald wie toll dem neuen Wilde nach. Nur acht Koppeln bleiben 
aus der Saufährte und zwingen, „laut Hallo!" hinterher, den Keiler, einen 
Haken einzuschlagen; wiederum gehen einige Meuten hier auf Damwild, Hafeu 
und Füchse verloren. Der Eber läuft über Sturzacker nach sumpfigem Terrain, 
die Pferde stutzen und straucheln. Immer gefährlicher wird der Ritt. Die 
Meute zählt kaum noch sechs Koppeln, ihr folgt hart auf dem Fuße der eifrige, 
pflichttreue Oberpiqueur,^) der seine Verwegenheit fast mit dem Leben bezahlen soll. 
Am Ausgange eines Dorfes versucht der kühne Reiter von der Wiese aus über 
einen breiten, frisch ausgebaggerten Wassergraben nach dem Acker hinaufzusetzen. 
Der Schimmel, sonst ein vorzügliches Springpferd, holt zu kurz aus und bleibt 
mit den Hinterfüßen im Morast, sogleich tiefer und tiefer versinkend, stecken. 
Jetzt kommt der kritische Augenblick; jetzt heißt es für den Reiter Sein oder 
Nichtsein, mit einem Satz heraus oder im Schlamm versinke». Der Weidmann 
giebt dem Roß die Sporen, dies versucht in die Höhe zu steigen, vermag aber 
wegen des Sumpses keinen Halt zu fassen und überschlägt sich rückwärts, den 
Oberpiqueur unter sich begrabend. Glücklicherweise erscheinen in dem Moment, 
wo der Gefallene schon sein Leben verloren giebt, zwei Piqueure und ein 
Traineur und versuchen mit eigener Gefahr, den versinkenden Jäger aus seiner 
schrecklichen Lage zu befreien. Einer reißt aus Leibeskräften das Pferd zurück, 
die Anderen ziehen unter letzterem den Oberpiqueur hervor. Mit Verlust der 
Stiefel, die im Sumpfe verbleiben, gelingt dies. Dank dem weichen Boden, ist 
der Verunglückte ohne Knochenbruch davongekommen, nur muß ex aus Strümpfen 
über die nasse Wiese laufen. Die Dorfbewohner machen sich mit Hebebäumeu 
daran, das fast völlig versunkene Pferd herauszuschaffen. Nach laugen Mühen 
gelingt es, wie todt liegt das erschöpfte, über und über mit Morast bedeckte 
Thier auf dem nassen Grase, ein in einen Rappen verwandelter Schimmel. 
Einige Jagdhiebe bringen ihn zur Besinnung, und schließlich trabt er seinen 
Kameraden unverletzt und munter nach. 
*) Wir schildern einen wirklichen Hergang aus dem Jahre 1830.
	        
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