I. Allgemeines.
1. Die Formen der Erdoberfläche und ihr Einfluß auf den
Menschen.
(Nach G. L. Kriegk, Schriften zur allgemeinen Erdkunde und Karl Sonklar
Edlen von Jnnstädten, Allgemeine Orographie, mit Ausätzen vom Herausgeber.)
Das horizontal Ausgebreitete und das in die Höhe Gerichtete oder
Ebene und Berg sind die zwei Grundformen der Erdoberfläche.
Die Ebene, die einfachste Form oder vielmehr das Formlose selbst,
kommt in unabsehbarer Ausdehnung mit mathematischer Vollkommenheit
nur aus dem Meere vor, wenn in strömungsfreien Gegenden gänzliche
Windstille dasselbe umfängt; aber diese Erscheinung ist an keinem Orte der
Erde eine bleibende, und man kennt nur einige Stellen des Oceans, an
welchen sie besonders häufig eintritt.
Das Meer.
Das Meer erscheint dem Menschen als die Mutter und Erhalterindes
Lebens. Ursprünglich den ganzen Erdball bedeckend, hat es lange die Keime
alles Werdenden in seinem Schooße getragen, und alle Festländer sind nur
Inseln, welche aus ihm einst emporstiegen. Noch jetzt enthält dasselbe eine
unerschöpfliche Fülle lebender Wesen, umspült alles feste Land, ist die Quelle
der Feuchtigkeit, die, aus ihm aufsteigend und auf die Länder sich nieder-
schlagend, in Verbindung mit der Wärme, diese allein fruchttragend und be-
wohnbar macht. Es nimmt alle fließenden Gewässer in sich auf, um sie in
anderer Form durch die Lüste dem Lande wieder zuzusenden, und ist so noch
immer Mutter und Erhalterm des Lebens. Daher erschien so vielen Völker!?
die See als „heilige Salzflut" und als Reinigerin des Befleckten, daher
stiegen nach den Sagen derselben Götter, Erde und Menschen aus ihr hervor.
Auch erweckt die See das Gefühl der Freiheit und der Kraft in denen,
die auf ihr fortwährend die Stätte ihres Strebens und Schaffens haben.
Das freie Meer, wie die freie Natur überhaupt, wo der Mensch keine
beengende Schranke fühlt und sich nur von sich selbst abhängig findet, er¬
weckt jenes erhebende, frohe Gefühl, das den Seemann, trotz tausendfacher
Gefahren und Entbehrungen, aus den Kreisen des sichern und geordneten
Lebens immer wieder hinaus auf die wogende Flut zieht. Dieses Gefühl
und das Bewußtsein der auf sich selbst beruhenden und im Kampfe mit den
Elementen erstarkten Kraft geben dem Seeleben für Viele den Hauptreiz, so
Pütz, Charakteristiken zur vergl. Erd- u. Völkerkunde. I. 2. Aufl. 1