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Zwischen Tondern und der Eider begegnen wir auf der Westseite 
den Friesen. Sie lieben noch heute, wie ehedem, die Freiheit über 
alles. Ackerbau, Viehzucht und Seeschiffahrt sind die Hauptbeschäftigungen 
dieses Volkes. — Die Bauart der friesischen Häuser auf der Marsch 
gleicht den holländischen; jedes Haus ist einstöckig, lang, von Ziegeln 
und ohne vielen Holzauswaud; über der niedrigen Thür befindet sich 
immer ein kleiner schmaler Bogen, der schneeweiß angekalkt ist. 
Der Dithmarse bewohnt das westliche Holstein zwischen Elbe, 
Nordsee, Eider und Gieselau; er ist im allgemeinen prachtliebender 
und aufgeweckter, aber nicht fo freiheitliebend und aufopfernd als der 
Friese. Das ganze Land der Dithmarfen, welches einen Flächeninhalt 
von 24 Quadratmeilen hat, wird von Kanälen und Dämmen durch- 
schnitten. Die ehemalige Teilung in das königliche Süder- und das 
herzogliche Norder-Dithmarscheu besteht noch jetzt fort. Jede Land- 
schast hat ihr eigenes Gericht und ihren eigenen Landvogt, der ein ge- 
borner Dithmarser sein muß. 
Von allen Bewohnern der Herzogtümer besitzen die Flußmarsen 
am wenigsten Sinn für vaterländische Interessen; sie haben nur deu 
Geldtopf im Auge und beweisen bei jeder Gelegenheit, wo es sich um 
Opfer für das allgemeine Wohl des Vaterlandes handelt, eine Hart- 
Herzigkeit, die sie sehr unbeliebt macht. Für Luxusgegenstände haben 
sie dagegen jederzeit Geld. 
1U Die Insel Sylt.* 
Die Insel ist das äußerste Stück deutschen Landes, wo deutsch ge- 
redet wird und deutsch gefühlt wird. Das wilde Meer, nirgends wilder 
als an diesen Küsten, hat dieses Stück schon seit Jahrhunderten von 
der mütterlichen Erde des Festlandes abgerissen; wie ein verlorener 
Posten steht es in der einsamen Wasserwüste, dem zerstörenden Andrang 
des Meeres preisgegeben. So sehen wir von der deutschen Küste, dem 
deutschen Meere aus, die Insel Sylt langsam untergehen. Es ist 
nicht, weil sie besonders groß oder schön oder wertvoll für uns wäre, 
daß wir sie wehmütig betrachten; aber mit ihr geht ein Teil von uns 
selber, ein schönes Stück unserer eigenen Vergangenheit hinunter; denn 
einst war sie bewohnt von dem kräftigsten, sreiesten und stolzesten 
deutschen Volksstamme, den Nordfriesen. 
Das alte Land der Nordfriesen wurde von den Gewässern in Inseln 
zerschnitten, die unter dem Namen der friesischen Jnsellande lange be- 
kannt sind. Sie liegen aufwärts längs der Küste von Schleswig bis 
Jütland und die hauptsächlichsten derselben heißen: Nordstrand, Pel- 
worm, Föhr, Amrum und Sylt. Ihren Westrand kehren sie dem 
stürmischen Nordmeer zu, das sie zerrissen hat und täglich mehr zer- 
reißt, von der Ostsee sieht man das feste Land gegenüber, und nur 
das blaue ruhige Wasser des Wattenmeeres trennt sie von demselben. 
* Nach I. Rodenburg.
	        
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