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Nachdem wir so eine gute Stunde im Innern der Erde umher-
geklettert und des Wunderbaren in so großer Menge angestaunt hatten,
waren wir wieder zur ersten Höhle zurückgekommen, in der uns einer
der Führer zum Schluß aus dem hier befindlichen, nie versiegenden
kleinen Brunnen ein Glas frisches Trinkwasser reichte, von dem ich
jedoch aus Furcht, meinen Magen zu versteinern, nicht viel genoß-
mein Vater löschte jedoch seinen Durst ganz vollständig, und wie ich
sehe, hat es ihm nichts geschadet.
Außerdem zeigte man uns hier auch noch einige Überreste, d. h.
Knochen, von vorweltlichen Tieren, die, nach des Vaters Meinung,
wohl dem Höhlenbären angehören mögen.
Zuweilen nimmt man Musiker mit in die Höhle, und läßt ein
Konzert darin aufführen; ja vor einiger Zeit hatte sogar eine Gesell-
schast darin getanzt. Das vermöchte ich nicht! In mir wollte das
Gefühl der Bewunderung keinem andern Platz machen, am wenigsten
einem solchen, welches Tanzende haben. Alles, was man sieht, er-
innert an Gottes Macht und Größe, und stimmt zur Andacht.
Einen eigentümlichen Eindruck macht es, wenn man aus diesen
dunklen Gewölben auf einmal wieder in die Tageshelle tritt: man
wird fast geblendet, fühlt sich aber recht leicht und froh ums Herz
und erinnert sich dabei unwillkürlich des unglücklichen Entdeckers der
Höhle, des Bergmanns Baumann. Er bahnte sich, getrieben von
Neugier und Verlangen nach Erzen, mit unsäglicher Mühe und Be-
schwerdeu einen Weg durch den schon bezeichneten engen Eingang und
gelangte so glücklich in die ersten Abteilungen der Höhle. Beim weiteren
Vordringen erlosch ihm aber plötzlich sein Grubenlicht, und er tappte
nun, umgeben von der dichtesten Finsternis, in diesen furchtbaren
Schlünden umher, vergeblich den Ausgang suchend. Sein Angstruf ver-
hallte in den grausigen Höhlen, ohne das Ohr eines Erdenbewohners
zu erreichen. Endlich, nachdem er drei Tage und drei Nächte lang
zehnfach die Angst eines Lebendigbegrabenen ausgestanden hatte, er-
blickte er den rettenden Lichtstrahl, der ihn wieder zur Oberwelt zurück-
führte. Hunger. Angst und Anstrengungen hatten aber seine Kräfte so
erschöpft, daß er wenige Tage nachher starb Indessen hatte er doch
noch so viel Besinnung, seine Freunde auf die Geheimnisse dieser Höhle
aufmerksam zu machen, weshalb sich auch bald mehrere fanden, die
seinen Versuch mit gutem Erfolg wiederholten, die Höhle aber, ihm
zu Ehren, Baumannshöhle nannten. Die Zeit der Entdeckung
kennt man nicht; doch soll die Höhle schon in der Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts bekannt gewesen und bereits 1570 von den Grafen
Ernst und Martin von Rein stein besucht worden sein.
Der Baumannshöhle fast gegenüber, also auf dem rechten Bode-
ufer, befindet sich eine ähnliche Höhle, welche nach dem auf der Thal-
wand sich erhebenden Bielstein die Bielshöhe heißt. Sie wurde
1672 bei Gelegenheit eines Waldbrandes, der den Eingang sichtbar