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mit unglaublicher Anstrengung, gleich dem Tiroler und Schweizer, der 
Erde gleichsam abzuzwingen sucht, was sie ihm versagt. Halbe Stunden 
weit trägt er in Körben guten Boden und Dünger auf nackte Felsen, 
wo nicht selten ein Platzregen ihn wegschwemmt, Bergabhänge bepflügt 
er, die der Niederländer kaum beklettern kann. Gras mäht er auf 
Höhen, wo ein Fehltritt ihn verunglücken läßt. Heu holt er mitten im 
Sommer aus Schlitten, wo er mit Wageu nicht fortkommen kann. Mit 
Centnergeduld liest er Steine von den Feldern und doch wird ihm 
meist nur dürftige, oft gar keine Ernte zu teil. 
Deu Erzgebirger charakterisieren Zufriedenheit mit wenigem, Treu- 
Herzigkeit mit Geradheit im Umgange, etwas Singendes beim Sprechen, 
ein häufiges Verdrehen üblicher, auch Einmischen fremder oder selbst- 
geschmiedeter Worte und noch so manche andere Eigenheiten. Ganz be- 
sonders eigen sind ihm Fleiß und Sinnen auf Erwerb, wozu ihn die 
Natur gleichsam spornt; denn fast jede Gabe läßt sie nur mit Mühe 
oder Gefahr sich abgewinnen. Sogar das Gehen erschwert sie ihm. 
Kaum viertelstündig sind im Erzgebirge die Ebenen, und es giebt dort 
in der That fast nur Fußsteige, nicht Fußwege, denn das Steigen und 
Klettern nimmt gar kein Ende. Mühsamer wird nirgends der Landbau 
betrieben und frühzeitiger wohl nirgends die Jugend zur Arbeit äuge- 
halten. Mit dem fünften bis zum sechsten Jahre schon hilft das Kind 
verdienen in der Klöppelstube, wie am Spinnrocken und in der Hütte. 
Eigen ist ferner dem Erzgebirger, gleich dem Tiroler und Savoyarden, 
das gewerbfleißige Wandern in ferne Gegenden und die doch ewig 
lebendige Sehnsucht nach den Bergen und Thälern der Heimat. Den 
Strichvögeln gleich, ziehen aus manchen Gegenden, besonders des Ober- 
gebirgs, im Frühjahre Hunderte mit Bändern, Spitzen, Blechwaren, 
blauer Farbe u. s. w. in alle Länder deutscher Zunge, vou der Schweiz 
bis Rußland, ja oft nur mit Axt und Kelle, anderwärts zu zimmern 
oder zu mauern. Zum Winter aber kehrt fast alles heim, um umnebelt 
von Hütten- und Hochöfendampf, nicht selten in verschneiter, ärmlicher 
Wohnung, den sauer errungenen Verdienst mit Weib und Kind zu ver- 
zehren. Knaben von 12 bis 13 Jahren fahren entweder auf eigene 
Faust, oder als Gehilfen ihrer Väter mit Karren voll kleiner Handels- 
artikel in die Welt, und manche Familie hat auf diese Art wohl ein 
halbes Dutzend Söhne in der Fremde, während die Töchter daheim 
klöppeln, spinnen u. s. w. 
Nebel, welche die letzten Häuser kaum erkennen lassen und die höch- 
stens in der Mittagsstunde weichen, kündigen dem Erzgebirger den 
Winter an, der ihm gewöhnlich in der fürchterlichsten Gestalt erscheint; 
denn wochenlang schneit es oft in einem fort, ja wohl in einer Nacht 
so, daß man sich in Dörfern aus deu Häusern schaufeln, bisweilen sogar 
aus dem Dache steigen muß. um einen Gang zur Hausthür oder Guck- 
löcher für die Fenster der Unterstuben zu schaffen, die meist düsteren 
Kellern gleichen. Ein 3 bis 7 Ellen hoher Schnee ist in strengen 
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