235 
stimmten Donaufahrzeuge; es ist hier daher ein beständiges Gewimmel 
von Fahrzeugen, Menschen und Wagen, für das man sich mit Lang- 
mut und Aufmerksamkeit rüsten muß, um inmitten des Strudels nicht 
in Wirbel zu geraten. 
47. Wien.* 
Der Wiener hat recht, wenn er singt: „'s giebt nur a Kaiser- 
stadt, 's giebt nur a Wien!" Denn nicht nur durch ihre Größe 
und die Schönheit ihrer Lage, sondern auch durch die vielfachen Er- 
innerungeu, die sich daran knüpfen, sowie ganz besonders durch die 
hervorstechenden liebenswürdigen Eigentümlichkeiten ihrer Bewohner 
ist die Hauptstadt des österreichischen Kaiserstaates zugleich die merk- 
würdigste Stadt Deutschlands. Schon von den alten Römern ange- 
legt, widerstand sie späterhin mit ihren festen Mauern, Türmen und 
Wällen, verteidigt durch die standhafte Tapferkeit ihrer Bewohner, 
mehrmals den furchtbarsten Anstrengungen der siegreich vordringenden 
Türken; mächtigen deutschen Kaisern aus dem Habsburgischen Ge¬ 
schlechte diente sie zur Residenz, und die bedeutendsten unserer deutschen 
Musiker, Haydn, Beethoven und Mozart, haben den größten Teil 
ihres Lebens darin zugebracht und hier, unter den für alle Kunst 
empfänglichen Wienern, ihre Meisterwerke geschaffen. 
Die Stadt liegt in einer trefflich angebauten, durch Abwechselung 
von Berg, Ebene und Wasser sehr angenehmen Gegend am rechten 
Ufer der Donau, deren Spiegel fortwährend mit einer großen Menge 
fremder Schiffe bedeckt ist. welche die Erzeugnisse des fernen Orients 
vom fchwarzen Meere aus unserm Vaterlande zuführen. Im Norden 
der Stadt bildet der Fluß mit seinen verschiedenen Armen mehrere 
reizende Inseln, die mit schattenreichem Gehölz, herrlichen Anlagen 
und prächtigen Gebäuden geschmückt sind; im Westen erblickt man 
einen kleinen Gebirgsrücken, aus einer Kette nicht sehr hoher Berge 
gebildet, an und zwischen welchen anmutige Wälder, liebliche Wein- 
Pflanzungen, lachende Fluren, blühende Gärten mit prachtvollen Land- 
Häusern die angenehmste Abwechselung darbieten; im Osten eröffnet 
sich dem Blicke eine unabsehbare, fruchtbare Ebene, welche sich bis nach 
Ungarn hin erstreckt, und im Süden endlich begrenzen hohe, zum Teil 
mit Schnee bedeckte Berge die weite Aussicht. 
Um die eigentliche Stadt herum, deren enge, meist unregelmäßig 
gebaute Straßen mit den drei bis fünf, bisweilen sogar sechs bis acht 
Stockwerk hohen Häusern fortwährend vom Menschengewühl und dem 
ununterbrochenen Strome auf- und abfahrender Wagen und Karossen 
so sehr wimmeln, daß der Fußgänger dadurch nicht selten in Lebens- 
gefahr kommt und sich nur durch das Hineinspringen in einen Wagen- 
tritt oder in die naheliegenden Häuser vor Zerquetschung retten 
* Nach L. Gittermann u. a.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.