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Prophezeiungen weiter ziehen. Im andern Falle bedarf es nur eines
Stichs oder Schlages, der Körper wird schnell verscharrt und der Er-
schlagene ist verschwunden. Im Winter, wenn die Weide schlecht und
die Lebensmittel schwer aufzutreiben sind, nähern sich die Zigeuner
den kultivierteren Teilen des Landes. Wenn eine solche Rotte sich in
der Nähe eines Dorfes der Walachen oder Sachsen niederläßt, können
die Einwohner sicher darauf rechnen, daß alles Genießbare und Be-
wegliche binnen kurzem verschwindet. Alle Zigeuner sind ausgefeimte
Pferdediebe, und die Streitigkeiten zwischen ihnen und dem Volke
kommen hauptsächlich vom Bestehlen der Herden. Des Nachts in einen
Pferdeftall zu schleichen, ohne den Wächter zu wecken, das beste aus-
zusuchen und sicher fortzubringen, ist die größte Heldenthat eines
Zigeuners, und verleiht ihm zugleich bedeutendes Ausehen. Wenn das
Pferd in Sicherheit ist, wird es zuerst beschnitten und zurechtgestutzt,
so daß sein eigentlicher Besitzer es nicht wieder erkennen kann. So
umgewandelt, geht das Tier von Bande zu Bande, bis es endlich
Hunderte von Meilen weiter verkauft wird. Die ruhigen, friedlichen
Sachsen Transsylvaniens werden von diesen handwerksmäßigen Dieben
am meisten heimgesucht. Um die Magyaren und Szekler bekümmern
sie sich selten, denn diese handeln ebenso gesetzwidrig als sie selbst,
und sind weit streitsüchtiger. Die sogenannten Ägypter wissen sehr
wohl, daß wenn der Magyarenhirt bemerkt, daß seine Herde bestohlen,
und vermutet, durch wen, er nicht zögert, sich zu rächen, indem er
den ersten besten Zigeuner, der ihm in den Wurf kommt, niederschießt
oder durchbohrt. Vor den Serbiern, die immer bewaffnet gehen und
ihre Waffen zu gebrauchen wissen, fliehen sie sogar; die Rumänen
dagegen liefern ihnen beständig Beute.
Während des letzten Bürgerkrieges, wo Dörfer sich gegen Städte
erhoben und in Transsylvanien allein 1100 Städte und Weiler nieder-
gebrannt wurden, hingen die Zigeunerbanden gleich Geiern an den
Überbleibseln.
Die Abneigung einiger Völkerschaften gegen sie drückt sich lebhaft
in Volkserzählungen und Liedern aus. In denen der Serbier und
Magyaren werden die Zigeuner nur mit Verachtung erwähnt. Die
stolzen Ungarn halten sie für zu gering, als daß sie sie unterdrücken
sollten. Was sie auch immer begehen mögen, man verachtet sie wegen
ihrer großen Nichtswürdigkeit. Vor der neuen Reform waren der
Adel und die Zigeuner die einzigen beiden Klassen, welche nicht be-
steuert waren, da die ersteren über, die letzteren unter dem Gesetz
standen. Für den Zigeuner gab's weder ein Gesetz, noch eine Rechts-
Hilfe, wenn ihm auch das größte Unrecht geschehen war, da man ihn
als einen Geächteten betrachtete. Auch in der Türkei wird ein Zigeuner-
postillon oder Kurier oft erschossen oder erschlagen, mit oder ohne
Recht, ohne daß der Mörder verfolgt wird, denn „es ist nur ein
Zigeuner".