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Einmal saß ein Schäfer auf dem Berge und blies auf seiner 
Schalmei so anmuthig, daß der Kaiser, im Innern des Berges, 
es mit Wohlgefallen hörte und einen Zwerg heraussandte, den 
Schäfer hineinzurufen. Unerschrocken folgte der Schäfer und blies 
dem alten Kaiser die lieblichsten Weisen vor, die er nur wußte. 
Der Kaiser ließ ihm darauf aus seinem Schatze eine Menge Gold 
geben und fragte ihn, ob die Raben noch um den Berg flögen? 
— Als nun der Schäfer antwortete: »Ja!« — sprach der Kaiser: 
»So muß ich noch hundert Jahre schlafen!« — Der Schäfer aber 
wurde durch den Zwerg wieder glücklich hinausgeführt. — Ein 
Bauer aus einem benachbarten Dorfe wollte Korn nach Nordhausen 
fahren. Nicht weit vom Kyffhäufer begegnete ihm ein kleines, altes, 
Männchen und gab ihm den Rath, sein Korn nach dem Kyffhäufer 
zu fahren, wo man es ihm gut bezahlen würde, nur müsse er nichts 
dafür fordern, sondern mit dem zufrieden sein, was man ihm frei- 
willig reiche. Der Bauer folgte diesem Rathe. Am Berge kam 
ihm die Prinzessin entgegen, öffnete ihm eine Thür in den Berg, 
hieß ihm sein Korn abladen und gab ihm, als er damit fertig war, 
anstatt der Bezahlung eine Hemmkette. Der Bauer ärgerte sich, 
daß er für sein schönes Korn weiter Nichts haben sollte, doch wagte 
er es nicht, seine Unzufriedenheit laut werden zu lassen, sondern 
warf die Hemmkette stillschweigend auf den Wagen und fuhr davon. 
Unterwegs war es ihm auffallend, daß seine Pferde gar nicht von 
der Stelle wollten, gleich, als ob sie an einer schweren Last zögen. 
Als er endlich nach Hause kam, war er mit seiner Frau und seinem 
Knechte nicht im Stande, die Kette vom Wagen herunter zu bringen; 
und als man die Sache genauer untersuchte, fand sich die ganze 
Kette in Gold verwandelt. 
So ging es auch einer Gesellschaft Musikanten, die bei einer 
Hochzeit aufgespielt hatten und sich in ihrer Lustigkeit herausnahmen, 
dem Kaiser Friedrich ein Ständchen zu bringen. Die Prinzessin 
erschien und führte sie in den Berg, wo sie in einem großen Sale 
herrlich bewirthet wurden. Zum Abschiede steckte die Prinzessin 
Jedem einen grünen Zweig auf den Hut. Die Meisten warfen 
diese Zweige weg, unzufrieden, daß sie kein ansehnlicheres Ge- 
schenk erhalten hätten; nur Einer behielt den seinigen und fand, 
als er damit nach Hause kam, alle Blätter in lauter Goldstücke 
verwandelt. — 
Dergleichen Geschichten werden noch in Menge erzählt, und es 
hat vor nicht gar langer Zeit noch Leute gegeben, die viel Mühe 
daran wandten, Gold im Kyffhäuser zu suchen; sie haben aber 
Nichts gefunden, sondern meistens noch das, was sie hatten, darüber 
verloren. 
Wenn aber auch der Kyffhäufer kein Gold darbietet, so ist es 
doch sehr angenehm, ihn zu besuchen und dort etwas zu verweilen;
	        
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