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so vorangeht, wie der Zillerthaler den Mannsleuten, trägt im
Sommer eine himmelblaue Mütze, im Winter eine Pelzhaube auf
dem Kopse, ein buntes Leibchen und ein weißes, gesticktes Busen-
tuch darüber.
Der Tyroler liebt seine Heimath und hat auch Ursache, sie
zu lieben; er liebt sein Fürstenhaus, und wie er es liebt, getreu
bis in den Tod, das hat er wahrlich dargethan. Eine wunderliche
Mengung ist das in ihm: Wandertrieb uud Heimweh, Natur-
behagen und Kunstfertigkeit, Arbeitsamkeit und Han-
delsgeist. Dabei ist er, das kann ihm Keiner abstreiten, von
Haus aus ein poetischer Mensch. Was seines Landes Natur in
Himmelsbläue und Alpenglühen, im Rauschen der wilden Wasser
und im Donner der Schneelawinen Poetisches hat, in ihm ist das
Alles so recht unmittelbar lebendig, es jauchzt oder trutzt aus ihm
heraus. Es ist Alles frischer Naturtrieb, der stimmt ihm die Kehle
zum Gesang seiner »Gaßlreime«, seiner »Trutzliedl«, u. s. w., die
auf der «Alm« zu Hause siud. Wenn die Leuchtspäne geschnitzt
oder die »Latschen« (Schuhe aus Ruthen) geflochten werden,
dann quillt und strömt das Lied prächtig und unaufhaltsam, und
das Hackbrett, die Maultrommel, die Schwögelpfeife tönen dazu.
Im Etfchthale schreiten vor den Weinbergen abenteuerlich aus-
staffirte Menschen herum, die »Saltner« (Weinhüter) mit gewal-
tiger Hellebarde, auf dem Kopfe einen Hut mit Federn oder einen
Eichhornsbalg, ein Paar Gemshörner auf der von einem ledernen
Koller bedeckten Brust; die wissen in der ganzen poetischen Welt
Tyrols Bescheid und lassen den Bronnen riefeln.
Der Tyrolertanz besteht in mannichfachen, künstlichen Win-
düngen und Stellungen, in denen sich der Tänzer mit lebhafter
Geberde unaufhörlich um die Tänzerin unter Geklatsch uud Gestampf
dreht und Jreifett. Aber außerdem giebt sich das poetische Talent
des Tyrolers auch im Streben des einfachen Handwerkers oder
Bauern nach Erreichung künstlicher Formschönheit kund, zumal
in Malerei, Bildhauerei, Baukunst n. s w., und so sieht
man nicht blos die Kirchen, sondern auch die Giebel der meisten
Häuser, wie sie massiv in freundlicher Helle aus dem grünen Grunde
der Landschaft blendend hervortreten, mit Bildern geschmückt, und
auch der fromme Spruch fehlt nie darauf, noch die das sinnige
Gemüth bekundende Blumenzier auf der Gallerte, welche das erste
Stockwerk eines Blockhauses umgürtet.
Die Mannhaftigkeit des Tyrolers erinnert noch an jene alte
Zeit, da der deutsche Bauer mit seinem Schwert an der Seite, sei-
ner Feder auf dem Hute und seinem Stoßringe in der Faust trotzig
und herausfordernd einhertrat. Der Tyroler trägt noch, wie sein
Nachbar, der Bauer im baierschen Hochlande, seinen Stoßring von