386 
bleibt ein öder, wüster und trauriger Ort zurück, wo vor Kurzem 
ein blühendes Städtchen zu stehen schien. Die Straßen aber sind 
von ganzen Zügen Heimziehender bedeckt, die mit ihrem zusammen- 
gestoppelten Geräth, ihren Blumen- und Pflanzenüberbleibseln und 
mit ihrer ganzen unerquicklichen Unordnung einer Schaar Aus- 
Wanderer nicht unähnlich sehen. 
6. Das Leben der Bewohner in Petersburg. * 
Das Leben der höheren Klassen ist in Petersburg und in ganz 
Rußland ungefähr wie in allen großen Städten, nur noch Pracht- 
liebender und kostbarer. 
Aber charakteristischer ist die Lebensart des gemeinen Volkes. 
Der Russe ist ein fröhlicher Mensch. Der Frohsinn äußert sich 
durch Gesang; daher begleitet der Russe jedes Geschäft mit Singen, 
und keine Freude wird genossen, kein Gelag gehalten ohne Gesang. 
Diese Gesänge Pflegen Nationalgesänge zu sein, und machen bei 
der wohlklingenden, musikalischen Sprache eine angenehme Wirkung. 
Es ist daher unter den höheren Ständen üblich, bei Wassersahrten 
und bei der Tafel einen Chor geübter Sänger kommen zu lassen. 
Wenn in schönen Sommernächten die Newa mit Fahrzeugen bedeckt 
ist, aus denen die melancholischen Melodien der russischen Gesänge 
ertönen, so macht das auf das Gemüth des einsamen Spazier- 
gängers einen unbeschreiblichen Eindruck. Dem russischen Volk dars, 
wenn es froh sein soll, auch der Tanz nicht fehlen. Der gewöhn- 
liche und ausdrucksvollste ist ein pantomimischer Tanz zwischen zwei 
Personen, die sich einander abwechselnd nähern und sich von ein¬ 
ander entfernen, während Füße und Hände zugleich die ausdruck- 
vollsten und gewandtesten Bewegungen machen. Die Vergnügungs- 
Häuser des gemeinen Mannes sind die Kabacken (Schenken). Hier 
versammelt er sich zum Trinken und Singen, und allerdings geht 
es hier oft sehr roh zu. Ferner besucht er wöchentlich wenigstens 
einmal ein öffentliches Badehaus. Die Spiele der Russen sind ein- 
fach, und erfordern Anstrengung und Gewandtheit. Ueberall, auf 
allen Gassen, besonders im Winter, sieht man Kerle oder Jungen 
mit einander ringen oder boxen, nicht aus Feindschaft, sondern 
um ihre Gewandtheit zu zeigen, oder sich zu erwärmen. Die Strei- 
tenden schlagen mit der geballten Faust auf einander los; Jeder 
sucht den Andern durch Unterschlagen der Füße zu Boden zu wer- 
fen; gelingt dies, so ist das Turnier zu Ende, und der Gefallene 
wird vom umstehenden Pöbel tüchtig ausgelacht. Ferner ist das 
Ballspiel gewöhnlich, besonders unter den Kärrnern, die im 
Winter auf den Gassen halten. Sie werfen einen großen mit Luft 
* Storch.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.